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Isadora Duncan

Isadora Duncan tanzt als erste zu sinfonischer Musik und führt den modernen Ausdruckstanz ein – weg vom Drill konventioneller Ballettschulen entwickelt sie ein völlig neues Körper- und Bewegungsempfinden, betritt barfuß und ohne Korsett die Bühne und entwickelt Posen, die man zuvor noch nie gesehen hat. Als „Grande Dame“ des modernen Tanzes verzaubert sie damit weltweit ein Millionenpublikum

Isadora Duncan wird als Angela Isadora Duncan am 27. Mai 1877 in San Francisco geboren. Ihre Familie stammt aus Irland, als die Eltern sich scheiden lassen, wächst sie zusammen mit drei Geschwistern bei ihrer als Musiklehrerin arbeitenden Mutter in Armut, jedoch in einer musischen Atmosphäre auf. 1899 kehrt Isadora Duncan mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Europa zurück. Schon als Kind lehnt die Tänzerin, die schon als sechsjährige von ihrer Mutter zu einem berühmten Ballettmeister geschickt wird, das klassische Ballett ab und verlässt bereits nach der dritten Stunde den Unterricht um einen eigenen Tanzstil zu entwickeln.

Nach ihrem Besuch der kaiserlichen Ballettschule in Sankt Petersburg schreibt Isadora Duncan: „Ich sah dort die kleinen Schülerinnen in Reihen aufgestellt, wie sie ihre martervollen Übungen ausführten. Stundenlang standen sie auf den Fußspitzen, wie die Opfer eines grausamen Inquisitionsgerichts. Die großen kahlen Räume machten den Eindruck einer Folterkammer“. Isadora Duncan kommt stattdessen in Sankt Petersburg nur mit einer griechischen Tunika bekleidet und mit nackten Beinen auf die Bühne – in der Hochburg des klassischen Tanzes gilt das 1904 als Skandal.

Mit sechzehn Jahren ändert sie ihren Vornamen in „Isadora“ ab und verdient mit Tanzunterricht ihr erstes Geld. Im Laufe der Jahre perfektioniert sie ihren freien, nur an Form, Linie und Rhythmus orientierten Tanzstil, dessen Bewegungen von den Abbildungen griechischer Vasen und Reliefs beeinflusst sind, und wird so zur Begründerin des Ausdruckstanzes. Ihr Plan, in einem griechischen Tempel gegenüber der Akropolis zu leben, lässt sich nicht realisieren, aber an ihrer künstlerischen Vision hält sie trotz vieler Rückschläge zeitlebens fest.

In Chicago und New York tritt sie zum ersten Mal mit wenig Erfolg öffentlich auf. Nach dem Verlassen der USA mit einundzwanzig Jahren feiert Isadora Duncan ihre ersten künstlerischen Erfolge in London. Ihr Aufstieg setzt sich in Paris fort und führt sie über Berlin und Moskau wieder nach Paris zurück. Auf Tourneen bereist sie halb Europa und gastiert in den Metropolen Süd- und Nordamerikas.

Mit ihrer Schwester Elizabeth gründet Isadora Duncan 1904 in Berlin-Grunewald eine Barfuß-Tanzschule, in der Kinder kostenlos von frühester Jugend an in ihrem Sinne ausgebildet werden. Körper, Seele und Geist der Schülerinnen sollen sich gleichermaßen entwickeln. Ihrer nackten Waden wegen dürfen die Mädchen allerdings nur bei geschlossenen Veranstaltungen auftreten. Die Schule siedelt später nach Darmstadt über und dann auf das Schloss Klessheim bei Salzburg, 1936 wird das Institut nach München verlegt.

1904 erlebt Edward Gordon Craig die avantgardistische Tänzerin in Berlin und sucht sie nach der Vorstellung in ihrer Garderobe auf. Isadora Duncan verliebt sich in den britischen Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner – er wird ihr Lebensgefährte und sie bringt 1906 die gemeinsame Tochter Deidre zur Welt. Gerüchten zufolge hat der Dreiunddreißigjährige bereits acht Kinder mit seiner Ehefrau und zwei Geliebten. Ihr Verhältnis mit Gordon Craig ist nicht von Dauer. Ein Grund dafür ist seine Überzeugung, Frauen seien nicht zu wahrer Kunst fähig. „Warum hörst du denn nicht mit diesem Unsinn auf?“ fragt er sie. Um die Liebesbeziehung zu erhalten, müsste sie auf ihre Kunst verzichten und ihre Persönlichkeit aufgeben – dazu ist sie nicht bereit.

Nach Gordon Craig wird der Nähmaschinen-Erbe Paris Singer von 1910 bis 1913 ihr Lebensgefährte. Noch im ersten Jahr ihrer Verbindung bringt die Tänzerin 1911 den gemeinsamen Sohn Patrick zur Welt. 1913 sterben beide Kinder bei einem Autounfall in Paris. Ihr Chauffeur vergisst, die Handbremse anzuziehen, das Auto stürzt in die Seine und die Kinder und das Kindermädchen ertrinken. Isadora Duncan beginnt zu trinken, wird füllig und verliert ihre äußeren Reize. Sie scherzt: „Ich liebe Kartoffeln und junge Männer“.

1922 heiratet Isadora Duncan in Moskau den russischen Dichter Sergei Jessenin. Der knabenhafte Poet und die berühmte Choreographin können kein Wort miteinander reden – er spricht kein Englisch, sie kein Russisch. Sie tanzt, er trinkt. Nur anderthalb Jahre später ist die Beziehung am Ende. Alkoholzermürbt erhängt sich Sergei Jessenin in St. Petersburg.

Bereits als Zwölfjährige hält Isadora Duncan die Ehe für sinnlos. In ihren Memoiren schreibt sie: „Die Benachteiligung der Frauen machte tiefen Eindruck auf mich, und das Schicksal meiner Mutter vor Augen beschloss ich damals schon, mein ganzes Leben im Kampf gegen die Ehe zu verbringen – ich wollte für die Frauenemanzipation, für das Recht jeder Frau eintreten, Kinder zu gebären, wann es ihr beliebte …“.

Isadora Duncan stirbt mit fünfzig Jahren in Nizza. Der lange Seidenschal, den sie um ihren Hals trägt, verfängt sich vor der Abfahrt in den Radspeichen des Sportwagens, so dass ihr der scharfe Ruck bei der Anfahrt des Wagens das Genick bricht – sie ist auf der Stelle tot.

Seit 2007 verleiht die Münchner „Iwanson-Sixt-Stiftung zeitgenössischer Tanz“ einmal jährlich den nach der berühmten Tänzerin benannten „Isadora-Preis“ für Verdienste um den zeitgenössischen Tanz.