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Kaiser Wilhelm II.

Er gilt als launisch und selbstverliebt und überspielt seine Unsicherheit gerne mit markigen Sprüchen – Kaiser Wilhelm II. fühlt sich „von Gott erwählt“, er liebt die Seefahrt, verlangt für die Deutschen einen „Platz an der Sonne“ und lässt sich nur bei „Kaiserwetter“ fotografieren. Durch sein mangelndes Gespür und manche rhetorische Ungeschicklichkeit führt er die Deutschen von der nach ihm benannten so glanzvoll begonnenen Epoche in die Katastrophe des Ersten Weltkrieges

Kaiser Wilhelm II. kommt als Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen am 27. Januar 1859 im Berliner Kronprinzenpalais zur Welt – er ist der älteste Sohn von Friedrich Wilhelm von Preußen und dessen Frau Victoria und der Enkel Kaiser Wilhelms I. sowie der britischen Königin Victoria und entstammt dem deutschen Adelshaus der Hohenzollern.

Wilhelm wird zusammen mit seinen Geschwistern Charlotte, Heinrich, Sigismund, Victoria, Waldemar, Sophie und Margarete – wie damals üblich in europäischen Herrscherhäusern – von Kindermädchen und Privatlehrern erzogen. Besondere Zuwendung durch seine Eltern erfährt er nicht, was zu einem bleibenden Ressentiment besonders gegen seine Mutter führt – Victoria verwindet es nie, einen behinderten Thronfolger zur Welt gebracht zu haben. Bei der Geburt Wilhelms wird bei ihm ein Nerv eingeklemmt und sein linker Arm bleibt gelähmt. Äußerst schmerzvoll, traumatisch und aus heutiger Sicht fragwürdig sind die ärztlichen Versuche, dieser Behinderung entgegen zu wirken – später verbirgt Wilhelm den Arm in der Manteltasche oder stützt ihn auf einem Gewehr ab.

Zu seiner Großmutter Queen Victoria hat Wilhelm ein herzliches Verhältnis – sie gilt als einzige, die ihm wirkliche Liebe entgegenbringt. Als sie 1901 hochbetagt stirbt, ist Wilhelm bei ihr.

Mit zehn Jahren tritt Wilhelm als Leutnant in die preußische Armee ein und mit zwölf Jahren wird er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 offizieller Kronprinz und zweiter Anwärter auf den deutschen Kaiserthron. Er absolviert in Kassel das Abitur und studiert danach in Bonn einige Semester Chemie, Jura und Kunstgeschichte.

1880 wird Wilhelm zum Hauptmann befördert – früh begeistert er sich für alles Militärische. Schon damals bildet sich bei ihm das absolute und konservative Verständnis seiner monarchischen Rolle – ganz im Gegensatz zu der liberal-konstitutionellen Einstellung seiner Eltern.

1881 heiratet Kaiser Wilhelm II. Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, was auch als Versöhnungsakt gegenüber dem von Preußen um seine Herrschaft über Schleswig-Holstein gebrachten Herzoghauses angesehen wird. Aus der harmonischen Ehe gehen mit Eitel Friedrich, Wilhelm, Adalbert, August Wilhelm, Oskar, Joachim und Viktoria Louise sieben Kinder hervor.

1888 – dem sogenannten „Dreikaiserjahr“ – stirbt erst Kaiser Wilhelm I. und nach neunundneunzig Tagen Regentschaft auch Wilhelms Vater Kaiser Friedrich. Mit neunundzwanzig Jahren besteigt Wilhelm als Deutscher Kaiser und Preußischer König den Thron. Zunächst ist man im Land begeistert von ihm, viele Deutsche sehen in dem forsch auftretenden und vorwärtsgewandten Wilhelm II. einen Hoffnungsträger, er wird mal „Arbeitskaiser“ genannt, dann wieder „Friedenskaiser“ – 1912 wird er sogar für den „Friedensnobelpreis“ vorgeschlagen, immerhin hält das Deutsche Reich unter seiner Regentschaft mehr als zwanzig Jahre lang Frieden. Andere nennen ihn wegen seiner Reiselust – er hält sich gerne auf der griechischen Insel Korfu und im Sommer auf seiner Yacht in Norwegen auf – auch den „Reisekaiser“.

In der Zeit Kaiser Wilhelms II. wandelt sich das Deutsche Reich vom Agrarstaat zur Industrienation und überholt in kurzer Zeit Großbritannien als größte Weltwirtschaftsmacht – der Begriff „Made In Germany“ wird in jenen Jahren zum Synonym für höchste Qualität. Der wirtschaftliche Aufschwung verbunden mit technologischen, naturwissenschaftlichen und industriellen Fortschritt wird auch durch Kaiser Wilhelms Technik- und Fortschrittsgläubigkeit begünstigt.

Kaiser Wilhelm II. liebt das Segeln und alles Maritime, er nimmt mit seiner Yacht „Meteor“ an Regatten und an der „Kieler Woche“ teil und entwirft in seiner Freizeit Yachten und Kriegsschiffe, die er nicht untalentiert zu Papier bringt. 1895 eröffnet er den Kaiser-Wilhelm-Kanal – den heutigen Nord-Ostsee-Kanal, unter seiner Regentschaft werden die Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven ausgebaut. Während seiner Regentschaft wird der Matrosenanzug im Deutschen Reich en vogue und es kommt bis ins zivile Leben hinein zu einer Überbetonung des Militärs – eine Laufbahn bei Armee oder Marine gilt nicht nur in höheren Kreisen als erstrebenswert und das Fehlen eines militärischen Ranges ist ein sicheres Karrierehindernis. Wilhelm II. benutzt gerne die neuesten Automobile und ist Protektor des Kaiserlichen Automobilclubs, dem Vorläufer des heutigen ADAC. Auch begibt er sich auf die Jagd – insgesamt soll er in seinem Leben knapp fünfzigtausend Tiere erlegen.

Kritisch gesehen wird Wilhelm II. lediglich von Sozialisten und Republikanern, von der polnischen und dänischen Minderheit, von den Elsässern sowie den Hannoveranern – die seinem Großvater nie verzeihen, dass er sich einst ihr Königreich einverleibt hat. Auch das Bürgertum und die Intellektuellen des Landes bleiben distanziert – wegen des Paragraphen zur Majestätsbeleidigung im deutschen Strafgesetzbuch lacht man jedoch nur hinter vorgehaltener Hand über die pompöse Selbstdarstellung des Monarchen, der dreimal am Tag die Uniform wechselt und ganz im Gegensatz zu seinem zurückhaltenden Großvater die Kameraobjektive geradezu sucht.

Zu den umstrittensten Amtshandlungen Kaiser Wilhelms II. gehört die Entlassung Otto von Bismarcks, der im Laufe seiner langen Kanzlerschaft dem Deutschen Reich zu hohem Ansehen verhilft – in seiner Amtszeit gewinnt Deutschland drei Kriege und steigt in wenigen Jahren zur stärksten kontinentaleuropäischen Macht auf. Zunächst bewundert Kaiser Wilhelm II. den erfahrenen Reichskanzler, doch mit der Zeit ärgert er sich über dessen zu großen Einfluss – es entwickelt sich ein typischer Generationenkonflikt, an dessen Ende Otto von Bismarck gehen muss.

Die Regentschaft von Kaiser Wilhelm II. ist von politischen Machtkämpfen zwischen den einzelnen Parteien geprägt, die es den amtierenden Kanzlern schwer machen, längerfristig im Amt zu bleiben. Mit der Abschaffung des Sozialistengesetzes gelingt Kaiser Wilhelm II. teilweise der Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten, auch fordert er ein Verbot von Sonntagsarbeit und der Nachtarbeit für Frauen und Kinder. Mit seiner traditionellen Auffassung vom Kaisertum zeigt er wenig Verständnis für die Anforderungen einer modernen konstitutionellen Monarchie, erst viel zu spät stimmt er 1918 unter dem Druck des Ersten Weltkrieges Verfassungsreformen zu.

Hauptanliegen Kaiser Wilhelms II. ist es, das Deutsche Reich als wichtige politische Größe unter den bestehenden Weltmächten zu etablieren. Er legt viel Wert auf internationales Prestige, fordert einen gleichberechtigten „Platz an der Sonne“ und strebt wie sein Vorbild Großbritannien nach einem Kolonialreich – was zu diversen diplomatischen Verwicklungen und internationalen Krisen führt. Kaiser Wilhelm II. beeinflusst mit widersprüchlichen und unberechenbar erscheinenden Entscheidungen wesentlich stärker die deutsche Außenpolitik als es noch sein Großvater und Vater getan haben.

Am folgenschwersten ist Kaiser Wilhelms II. Reaktion in der Julikrise 1914 – nachdem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo erschossen wird, stellt Wilhelm II. Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht für dessen aggressive Politik gegen Serbien aus und bringt dadurch Rußland gegen sich auf. Er hetzt in seinen Reden gegen die „slawische Gefahr“ und den Sozialismus und bricht schließlich zusammen mit Kaiser Franz-Joseph von Österreich-Ungarn den Ersten Weltkrieg vom Zaun, in dessen Verlauf seine taktische und strategische Unfähigkeit erst richtig zum Vorschein kommt – spätestens ab 1916 zieht er sich immer mehr von der Tagespolitik zurück und überlässt den Generälen von Hindenburg und Ludendorff das Feld. In jener Zeit ist das Deutsche Reich de facto eine Militärdiktatur.

Während des Krieges schwadroniert Kaiser Wilhelm II. von umfangreichen Territorialgewinnen und unrealistische Kriegsentschädigungen – unter anderem begeistert er sich für das an Bodenschätzen reiche Rumänien. Während deutsche Soldaten zu Tausenden in den Schützengräben Flanderns krepieren und sein Volk durch die mangelnde Versorgungslage Hunger leidet, träumt er davon, Russland in vier Zarentümer zu teilen – als Brücke nach Zentralasien zur Bedrohung der britischen Stellung in Indien.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 dankt Kaiser Wilhelm II. ab und begibt sich in die neutralen Niederlande – die niederländische Königin Wilhelmina gewährt ihm nach kurzen Zögern Asyl. Er lässt sich im Schloss Huis Doorn nieder, wo er sich die Zeit mit wissenschaftlichen Diskussionen und dem Fällen von Bäumen vertreibt. Sein Gang ins Exil wird ihm von vielen Deutschen als Feigheit vorgeworfen, dennoch bleibt in der Zeit der Weimarer Republik der monarchistische Flügel relativ stark. Bis zuletzt hofft Wilhelm II. auf eine Rückkehr auf den den deutschen Thron, diese zerschlägt sich spätestens nach der Präsidentenwahl Paul von Hindenburgs und dem Machtantritt Adolf Hitlers.

Aus seinem Exil heraus beobachtet Wilhelm II. die Vorgänge in Deutschland – mit einer präsidialen Demokratie kann er sich aus naheliegenden Gründen nicht anfreunden, auch Adolf Hitler begegnet er zunächst mit Argwohn. „Alles wird von den Leuten beseitigt, die Fürsten, der Adel, die Offiziere, die Stände – aber das wird sich rächen, man wird die einzige Fahne, die sie noch übrig gelassen haben, die mit dem Hakenkreuz, noch einmal verfluchen, und die Deutschen selber werden sie eines Tages verbrennen“ sagt er in weiser Voraussicht 1933. Als er 1938 von der „Reichspogromnacht“ erfährt, fordert er jeden Deutschen auf, dagegen zu protestieren. Erst als Adolf Hitler siegreich in Paris einmarschiert, sendet er ein Glückwunschtelegramm: „Ich beglückwünsche Sie und die deutsche Wehrmacht zu dem von Gott geschenkten Sieg!“

Historiker bezeichnen Kaiser Wilhelms Geringschätzung alles Zivilen, seine Verachtung der Slawen und Juden und seine ausufernden Weltmachtfantasien als einen Vorboten Adolf Hitlers, andere Forscher halten diese These für übertrieben. Obwohl er sich in der Öffentlichkeit nicht vor Schmähungen gegenüber Juden zurückhält, pflegt er im privaten Bereich zahlreiche freundschaftliche Kontakte zu Juden – sogenannten „Kaiserjuden“ – unter anderem zum Hamburger Reeder Albert Ballin.

Nach dem Tod seiner ersten Frau 1921 heiratet Kaiser Wilhelm II. 1922 die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, die sich daraufhin „Prinzessin von Preußen“ nennen darf.

Wilhelm II. stirbt am 4. Juli 1941 mit zweiundachtzig Jahren im holländischen Doorn an den Folgen einer Lungenembolie – seine letzten Worte sind „Es geht mit mir zu Ende, ich versinke, ich versinke“. Offizielle Trauerfeiern im Deutschen Reich werden verboten, er wird im engsten Familienkreis zunächst in einer Kapelle nahe dem Doorner Torhaus beigesetzt, wobei drei Hände Potsdamer Erde auf seinen Sarg gestreut werden. Später wird sein Sarg in das postum erbaute Mausoleum im Park von Doorn übergeführt. Sein von ihm selbst ausgewählter Grabspruch lautet: „Lobet mich nicht, denn ich bedarf keines Lobes, rühmet mich nicht, denn ich bedarf keines Ruhmes, richtet mich nicht, denn ich werde gerichtet werden“. Kaiser Wilhelm II. verfügt, dass eine Umbettung seiner Gebeine nach Potsdam erst nach der Wiedererrichtung der Monarchie in Deutschland durchzuführen sei, wozu es nie kommt. Im Laufe der Jahre entwickelt sich Schloss Doorn zur Pilgerstätte diverser Monarchisten.