Er ist eine Ikone der europäischen Kulturgeschichte und wird noch heute in Bayern ehrfurchtsvoll „Kini“ genannt – Ludwig II. baut kitschige Schlösser voller technischer Raffinessen, er macht den Weg zur Deutschen Einigung frei und ermöglicht Richard Wagner dessen legendäre Karriere. Bis heute ranken sich etliche Legenden um den mysteriösen Tod des vor allem beim einfachen Volk so beliebten Märchenkönigs
Ludwig II., Foto: [Public domain], via Wikimedia Commons
Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Bayern wird am 25. August 1845 als Sohn von Kronprinz Maximilian und Kronprinzessin Marie Friederike auf Schloss Nymphenburg in München geboren und stammt aus dem deutschen Adelshaus Wittelsbach. Er wächst unter der Obhut von Erziehern und Gouvernanten in München sowie auf Schloss Hohenschwangau im Allgäu auf und verbringt die Sommerferien zusammen mit seinem jüngeren Bruder Otto in Berchtesgaden.
Nach der Abdankung von König Ludwig I. von Bayern 1848 wird Ludwigs Vater Maximilian König von Bayern und er selbst Kronprinz. König Maximillian stirbt 1864 und Ludwig wird mit achtzehn Jahren als Ludwig II. König von Bayern. Bei den Feierlichkeiten für den verstorbenen Vater zeigt sich der attraktive wie schüchterne Thronfolger erstmals in der Öffentlichkeit.
1861 erlebt Ludwig II. zum ersten Mal Richard Wagners Opern „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ – daraus entsteht eine lebenslange Vorliebe für dessen Opern. 1864 trifft er den unter chronischen Geldproblemen leidenden Komponisten zum ersten Mal, sagt ihm Unterstützung zu und finanziert dessen Oper „Der Ring des Nibelungen“.
1865 muss sich Ludwig II. dem Widerstand der Staatsregierung, der Münchner Bürger und seiner eigenen Familie beugen und den in Bayern unbeliebten Richard Wagner auffordern, das Land zu verlassen – die enge Freundschaft zwischen beiden bleibt bestehen und die Opern „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ erleben im Münchner Nationaltheater ihre Uraufführung. Ludwig II. finanziert auch das berühmte Richard-Wagner-Festspielhaus in Bayreuth sowie einen ins Leben gerufenen Bayreuther Patronatsverein.
1866 tritt Bayern an der Seite Österreichs in den Krieg gegen Preußen ein – nach der Niederlage verpflichtet sich das Land, eine Kriegsentschädigung an Preußen zu zahlen und seine Armee im Bündnisfall dem preußischen Befehl zu unterstellen. Der pazifistische Ludwig II. überlässt die Kriegspolitik seinen Ministern, 1866 bereist er ein einziges Mal sein Königreich, danach zieht er sich auf seine Schlösser zurück und überlässt die Regierungsgeschäfte anderen.
1867 verlobt sich Ludwig II. mit Sophie – der jüngeren Schwester von Kaiserin Elisabeth („Sisi“) von Österreich. Trotz der vorangetriebenen Hochzeitsvorbereitungen schiebt er den Termin immer weiter hinaus und löst schließlich die Verlobung. Über diese Entscheidung sind nicht nur die Eltern von Sophie, sondern auch die Verwandtschaft und der europäische Hochadel mehr als konsterniert. Das Ludwig II. homosexuell ist, ist heute unbestritten – obwohl in Adelskreisen weit verbreitet, wird dies in der damaligen Zeit totgeschwiegen. Der streng katholisch erzogene Ludwig II. leidet lebenslang unter Gewissensqualen sowie unter aussichtslosen Versuchen, seine sexuelle Orientierung zurückzudrängen.
1870 beteiligt sich Bayern am Deutsch-Französischen Krieg, nach dem Sieg über Frankreich akzeptiert Ludwig II. nur zögernd die Kaisererhebung des preußischen Königs über das neu gegründete Deutsche Reich – immerhin gelten die Wittelsbacher als bedeutendstes deutsches Königshaus. 1870 unterschreibt er nur mit Widerwillen einen von Otto von Bismarck entworfenen Brief, in dem er den preußischen König Wilhelm I. bittet, den Titel des Deutschen Kaisers anzunehmen. Otto von Bismarck sichert Ludwig II. im Gegenzug Geldzahlungen zu, die aus dem Hannoverschen Welfenfonds („Reptilienfonds“) geleistet werden und dem Ludwig II. nach der Versailler Kaiserproklamation zur Verfügung gestellt werden.
Seinen letzten öffentlichen Auftritt hat Ludwig II. 1874 bei der Münchner Fronleichnamsprozession. 1881 beginnt seine Freundschaft mit dem Schauspieler Josef Kainz, mit dem er zusammen eine Reise durch die Schweiz unternimmt. In seinen letzten Lebensjahren zieht er sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, seine Minister haben Mühe, ihn für Unterschriften in entlegenen Berghütten aufzusuchen. Er lebt zunehmend bei Nacht – was ihm den Spitznamen „Mondkönig“ einbringt – und widmet sich seinen Prunkbauten. Nach der Fertigstellung von Schloss Linderhof und Schloss Herrenchiemsee verbringt er seine letzten Jahre in völliger Einsamkeit auf Schloss Neuschwanstein, das heute zu den größten Sehenswürdigkeiten Deutschlands zählt und nie fertiggestellt wird.
Mitte der achtziger Jahre des vorletzten Jahrhunderts ist Ludwig II. finanziell ruiniert, die Arbeiten an seinen Schlössern werden eingestellt und das bayerische Kabinett verweigert weitere Bürgschaften. 1886 wird er auf Betreiben der bayerischen Regierung ohne persönliche Untersuchung durch ein Gutachten einiger Ärzte – darunter Dr. Bernhard von Gudden – für geisteskrank erklärt und entmündigt. Aus heutiger Sicht ist die Diagnose unhaltbar – nach modernen Kriterien ist er trotz seiner Verschwendungssucht und Sozialphobie weder unzurechnungsfähig, paranoid noch schizophren.
Zwar versucht Ludwig II. noch, einen Aufruf an das bayerische Volk zu erlassen, doch den Ratschlag Otto von Bismarcks, sich in München dem Volk zu zeigen, beherzigt er nicht. Trotz vieler Hilfsangebote verhält er sich völlig passiv – er wird ins Schloss Berg am Starnberger See gebracht und sein Onkel Luitpold übernimmt als Prinzregent die Regierungsgeschäfte.
Am Abend des 13. Juni 1886 unternimmt Ludwig II. zusammen mit dem Arzt Dr. Bernhard von Gudden einen Spaziergang im Schlosspark am Starnberger See – als beide Männer nicht wieder eintreffen, begeben sich Suchmannschaften ins Ufergelände, wo man ihn mit seinen Arzt tot im Wasser findet. Seine Todesursache bleibt bis heute ungeklärt, ob es Selbstmord ist, ob der Arzt ihn beim Fluchtversuch erschießt oder ob er einem Attentat zum Opfer fällt – bis heute ranken sich diverse Verschwörungstheorien um den frühen Tod des bayerischen Königs.
König Ludwig II. wird einbalsamiert, drei Tage lang in der Hofkapelle von Schloss Berg aufgebahrt und am 19. Juni 1886 nach einem Trauerzug durch München in der Gruft der dortigen Michaelskirche beigesetzt.
Aus heutiger Sicht nimmt Ludwig II. bedeutenden Einfluss auf die kulturelle Entwicklung Deutschlands, ohne ihn gäbe es weder die Opern von Richard Wagner noch die opulenten Prunkschlösser im Voralpenland – ziehen diese doch als bedeutende Sehenswürdigkeiten Millionen von Touristen nach Bayern. Das Haus Wittelsbach zahlt nach dem Tod Ludwigs II. noch bis 1909 alle durch seine Bautätigkeit angefallenen Schulden vollständig ab. Auch tut sich Ludwig II. auf dem Gebiet der Förderung neuer Technologien hervor – so werden in seinen Schlössern Stahlbau und elektrisches Licht eingesetzt, auch stellt er Gelder für die damals noch in den Kinderschuhen steckenden Fliegerei zur Verfügung.
Mehrfach wird der Werdegang von Ludwig II. verfilmt – 1955 entsteht mit O. W. Fischer in der Hauptrolle der Film „Ludwig II. – Glanz und Ende eines Königs“ und 1972 dreht Luchino Visconti mit Helmut Berger und Romy Schneider den Film „Ludwig“. Seit 2000 wird in Füssen im Allgäu das Musical „Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ aufgeführt.