Ortrud Beginnen ist neben eindringlichen Charakterrollen vor allem für ihre humoristischen Darbietungen bekannt – als eigenwillige Schauspielerin und Kabarettistin feiert sie große Erfolge auf den deutschsprachigen Bühnen. Mit ihrer unkonventionellen Art gilt die Hamburgerin lange als Geheimtip und entwickelt sich in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Star der Berliner Studentenbewegung, ihr sogenannter Trivialtheater-Stil beschert ihr den Spitznamen „Duse vom Ludwigkirchplatz“
Ortrud Beginnen wird am 5. Februar 1938 in Hamburg als einziges Kind einer unverheirateten Opern-Choristin und Wagner-Verehrerin geboren – als Flüchtlingskind wächst sie nach dem Krieg bei den Großeltern in Schleswig-Holstein auf. Schon früh entsteht der Wunsch, Schauspielerin zu werden („die einzige Möglichkeit, diese traurige Kindheit verlassen zu können“). Nach dem Abitur macht sie eine Lehre im Buchhandel um sich danach zur Schauspielerin ausbilden zu lassen. Doch ihre unkonventionelle Art kommt in den fünfziger Jahren bei der staatlichen Eignungsprüfung zur Schauspielerin in Hamburg nicht an – neben dem „Vater unser“ trägt sie den Schlager „Nur nicht aus Liebe weinen“ vor und wird abgelehnt.
1964 geht Ortrud Beginnen nach Berlin und wird dort in einer Buchhandlung vom französischen Regisseur Paul Vasil entdeckt – 1965 gibt sie in „Messerköpfe“ ihr Bühnendebüt. 1970 übernimmt sie die Leitung des Westberliner Off-Theaters Reichskabarett, wo sie große Erfolge feiert. Eines ihrer Markenzeichen ist ihre ironisch hintergründige Interpretationen vom klassischem deutschen Liedgut. Ihr erster „tiefdeutscher“ Solo-Abend heißt „Letzte Rose“. Bundesweite Bekanntheit erlangt sie 1974 mit ihrer Kriegsrevue „Fronttheater“. 1976 erhält sie den „Kleinkunstpreis der Stadt Mainz“ und wird im selben Jahr Ensemble-Mitglied am Staatstheater Stuttgart unter dem Intendanten Claus Peymann. Von dort wechselt sie ans Schauspielhaus Bochum und hat hier bis 1986 wichtige Bühnenrollen in Lessings „Nathan der Weise“, Brechts „Die Mutter“ und in der Uraufführung von Achternbuschs „Sintflut“.
Ortrud Beginnens Stück „Minna, oder wie man dazu gemacht wird“ von 1982 basiert auf der Geschichte ihrer weiblichen Vorfahren, die sie 1976 in ihrem Buch „Guck‘ mal, schielt ja“ verewigt. Mit der „Putzfrauen-Oper“, „Die Magd des Schicksals“ und der Abrechnung mit der Selbstverwirklichung der Frau „Minna auf Mallorca“ entwickelt Ortrud Beginnen ihre vielbeachtete „Minna“-Trilogie. In ihrer Bochumer Zeit entsteht auch eine musikalische Bearbeitung von Wilhelm Buschs „Die fromme Helene“ (1987), sowie ein Programm über Kitsch und Armut unter dem Titel „Wie werde ich reich und glücklich?“. Neben ihrer Rollentätigkeit entwickelt Ortrud Beginnen weiter eigene Programme. Beim Theaterfestival in Nancy gastiert sie mit „Ich will deine Kameradin sein“ und bietet deutsche Soldatenlieder aus zwei Jahrhunderten dar. Das Gastspiel wird vorzeitig abgebrochen weil es heißt, die Künstlerin habe sich „mit Nazi-Liedern eingeschlichen“. In einem Interview sagt Ortrud Beginnen dazu: „…ich war bisher der Meinung, daß die Art meines Vortrags hinlänglich klarmacht, daß ich diese Lieder nicht etwa gutheiße, sondern entlarven möchte.“
1989 wechselt Ortrud Beginnen ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg und glänzt in verschiedenen Charakterrollen. 1991 entsteht hier auch ihr Soloprogramm „Tausend Jahre Deutscher Humor“. Mit dem Wechsel an der Spitze des Schauspielhauses 1993 wechselt auch Ortrud Beginnen wieder zum Staatstheater Stuttgart und zeigt dort ihre in Hamburg entstandene Heimatrevue „Wir Mädel singen“ – eine böse Satire über Deutsche und Ausländer, welche durch die Übergriffe auf Asylbewerber-Heime in Hoyerswerda und anderen Orten Deutschlands eine besondere Bedeutung bekommt.
1995 wird Ortrud Beginnen für ihre Rolle in der preisgekrönten Burgtheater-Produktion „Die Präsidentinnen“ von der Zeitschrift „Theater Heute“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt. In einer Co-Produktion der „Wiener Festwochen“ und des Burgtheaters erhebt sie Anspruch auf die Krone von Österreich im „monarchistischen“ Abend „Ein Zacken aus der Krone“. Unter anderem spielt sie dort auch die Maria Callas in „Meisterklasse“.
Im Kino kann man Ortrud Beginnen 1988 in Walter Bockmayers Heimatfilm-Satire „Die Geierwally“ als exzentrische Tante Genoveva sehen und 1991 gibt sie in Loriots „Pappa ante Portas“ die liebestolle Nachbarin Gertrud Mielke.
Ortrud Beginnen stirbt am 19. Januar 1999 in Stuttgart an den Folgen eines Krebsleidens.