Er gibt sich als Chefaufklärer der Nation, seine Filme werden von Millionen Menschen angesehen und jahrelang spaltet er mit seiner Propagierung gegen Lustfeindlichkeit die Gemüter der Deutschen – während die Kirchen dem selbsternannten Sexologen Verstöße gegen Sitte und Moral vorwerfen, wird er von fortschrittlichen Deutschen als sexueller Befreier verehrt – Oswald Kolle verändert mit seinen richtungsweisenden Thesen nachhaltig die deutsche Gesellschaft
Oswalt Kolle wird am 2. Oktober 1928 als Sohn des renommierten Psychiaters Kurt Kolle im schleswig-holsteinischen Kiel geboren – gegen den Wunsch seines Vaters, Psychologe zu werden, absolviert er nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst eine landwirtschaftliche Ausbildung.
Zu Beginn der fünfziger Jahre kommt Oswalt Kolle zum Journalismus – für diverse Zeitungen schreibt er als „Klatschreporter vom Dienst“ Beiträge über Prominente der Zeit und deren Liebesleben. Ab den sechziger Jahren publiziert er Aufklärungsserien für Illustrierte und verfasst zum Thema mehrere Bücher – in jener Zeit ist er maßgeblich an der Popularisierung der sexuellen Aufklärung beteiligt. Sein erstes Buch „Dein Kind, das unbekannte Wesen“ (1968) wird in mehrere Sprachen übersetzt und auch das Buch „Das Wunder der Liebe“ (1971) ist sehr erfolgreich.
Zwischen 1968 und 1972 produziert Oswalt Kolle Aufklärungsfilme wie „Das Wunder der Liebe“ für die deutschen Kinos, die mit mehr als als hundertfünfzig Millionen Zuschauern schnell zu Kassenschlagern avancieren. Tagelang muss Oswalt Kolle mit Zensoren über die Freigabe verhandeln, jede einzelne Szene wird durchgesprochen – berühmt wird der Satz, den einer der Zensoren äußert: „Herr Kolle, Sie wollen die ganze Welt auf den Kopf stellen, jetzt soll sogar die Frau oben liegen!“
Zeit seines Lebens ist Oswalt Kolle ein Menschenfreund, der sich als entschiedener Gegner der Pornografie eine Zivilisation der Zärtlichkeit wünscht – in einer Zeit, in der weibliche Lust als Sünde, Homosexualität als abartige Perversion und Jungfräulichkeit als heilig betrachtet werden, stößt er mit seinen Vorstellungen vor allem bei den Kirchen auf Widerstand, die ihm Verstöße gegen Sitte und Moral vorwerfen. Oswalt Kolle will die Menschen nicht umerziehen, sondern ihnen die Ängste nehmen – mit seiner offenen und für jeden verständlichen Sprache erreicht er Millionen von Menschen. Von den damals rebellierenden Studenten wird er jedoch verachtet, da er die bürgerliche Ehe propagiert. Er selber sagt: “Wenn man etwas verändern will, muss das vorsichtig geschehen“.
Wegen der Liberalität und Toleranz der Holländer lebt Oswalt Kolle seit 1969 in Amsterdam – er besitzt die niederländische Staatsbürgerschaft. 2000 erhält er von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung die „Magnus-Hirschfeld-Medaille“ – offizielle Stellen der Bundesrepublik Deutschland haben für ihn keine Ehrung übrig.
2008 erscheint Oswalt Kolles Autobiographie mit dem Titel „Ich bin so frei. Mein Leben“, in welchem er unter anderem über die Sterbehilfe für seine krebskranke Frau berichtet.
Bis kurz vor seinem Tod ist Oswald Kolle publizistisch tätig – sein letztes Buch „Sex: Die zehn Todsünden“ erscheint 2011 und wird von ihm selber als sein Vermächtnis angesehen.
Oswalt Kolle ist von 1953 bis 2000 mit seiner Frau Marlies verheiratet – das Paar, das in einer offenen Ehe lebt, hat zwei gemeinsame Kinder. Nach dem Tod seiner Frau ist er mit der Niederländerin Jose del Ferro liiert.
Oswalt Kolle stirbt am 24. September 2010 im Alter von einundachtzig Jahren in seiner Wahlheimat Amsterdam.