Als „Mutter Courage des Ostens“ ist Regine Hildebrandt die ostdeutsche Identifikationsfigur schlechthin – ihre unbequeme und zuweilen schnodderige Art lehrt manchen West-Politiker das Fürchten. Die promovierte Biologin sticht auf wohltuende Art aus der Masse hervor und sagt unverblümt was Sache ist, auch wenn ihr unangepasstes Auftreten häufig zur Zielscheibe ihrer politischen Gegner wird. Vehement streitet die schlagfertige Politikerin um die Rechte der sozial Benachteiligten im Land
Regine Hildebrandt wird als Regine Radischewski am 26. April 1941 in Berlin geboren, wo sie aufwächst und 1958 ihr Abitur ablegt. Ihr Vater ist Pianist und Korrepetitor an der Staatlichen Ballettschule, ihre Mutter Hausfrau und Inhaberin eines Tabakladens. Von 1959 bis 1964 studiert Regine Hildebrandt Biologie an der Berliner Humboldt-Universität und promoviert 1968. Schon während dieser Zeit ist sie Chorsängerin der Berliner Domkantorei. Ihre berufliche Karriere startet sie 1964 als stellvertretende Abteilungsleiterin bei der „VEB Berlin-Chemie“ – dieses Amt begleitet sie bis 1978.
Besonders in den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland wird Regine Hildebrandt hoch geschätzt und verehrt. Kosenamen wie „Stimme des Ostens“ oder „Rächerin der Enterbten“ sind ein beredtes Zeugnis dafür. Regine Hildebrandt ist eine Frau, die schnörkellos redet, sich bis zum Letzten für ihre Ziele einsetzt und konsequent ihre Anschauungen vertritt, ohne sich nach dem Wind zu drehen. Mit der Wende 1989 kommt ihr die Erkenntnis, daß es an der Zeit ist, sich politisch zu engagieren – nachdem die Politikerin zu DDR-Zeiten in Opposition zum System steht. Zuerst beteiligt sie sich bei der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“, später tritt sie der neugegründeten SPD bei und kommt ins erste frei gewählte Parlament der DDR. Von April bis August 1990 ist sie Ministerin für Arbeit und Soziales im Kabinett von Lothar de Mazière, sowie 1990 die erste Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg. Nachdem der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe nach den Landtagswahlen 1999 mit der PDS eine Koalition eingeht, legt sie ihr Mandat nieder und tritt von ihren Ämtern zurück. Die Hochachtung, die ihr besonders in den neuen Bundesländern dafür entgegengebracht wird, wächst durch diesen Schritt noch mehr. Im Dezember 1999 wird Regine Hildebrandt erneut in den SPD-Parteivorstand gewählt.
1993 erhält Regine Hildebrandt den „Gustav-Heinemann-Bürgerpreis“ sowie die „Hamm-Brücher-Medaille“. 2000 ehrt man sie mit dem „Fritz-Bauer-Preis“. Im März 2001 wird Regine Hildebrand mit dem „Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“ ausgezeichnet. Regine Hildebrandt – die zahlreiche wissenschaftliche Werke und politische Aufsätze veröffentlicht – zählt jahrelang zu Deutschlands populärsten Politikerinnen, nur eine Woche vor ihrem Tod wird sie auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg mit dem besten Ergebnis aller Kandidaten wieder in den Vorstand gewählt.
Im April 2001 kann Regine Hildebrandt zu ihrem sechzigsten Geburtstag noch einmal Glückwünsche aus aller Welt entgegennehmen. Wie in ihrem ganzen Leben geht sie auch während ihrer fortgeschrittenen Krebserkrankung in die Offensive – anstatt sich zu verstecken, gibt sie Interviews und setzt sich dabei stark für die Hospiz-Bewegung und für die Möglichkeit aktiver Sterbehilfe in Deutschland ein. „So wie es dazu gehört, sich zu freuen, wenn ein Kind geboren wird, so selbstverständlich muß auch der Tod am Ende eines erfüllten Lebens für die Menschen stehen. Daß dies sowohl in den Familien mit ambulanter Unterstützung oder eben in den entsprechenden Hospizen möglich ist, ist mir ein ganz großes Anliegen“ sagt die Politikerin in einem Gespräch.
Seit 1966 ist Regine Hildebrand mit Jörg Hildebrandt verheiratet und hat zwei Kinder.
Die Politikerin stirbt am 26. November 2001 in Berlin an den Folgen eines Krebsleidens.