Renate Kern gehört in den sechziger und siebziger Jahren zu den erfolgreichsten Schlagersängerinnen des Landes. Die beliebte Künstlerin, die ihren eigenen Ansprüchen nur schwer gerecht wird, hat diverse Hits, versucht es in den USA als Country-Star und gilt hierzulande lange Zeit als „Seelentrösterin der Nation“
Renate Kern wird am 23. Januar 1945 als Renate Poggensee in Thann in der Rhön geboren und wächst in Wildeshausen bei Bremen auf. Ihre Mutter Gertrud ist Cafehauspianistin, ihr Vater Wissenschaftler und Erfinder, der in der Raketenforschung arbeitet und an der Entwicklung der V-2-Raketen mitwirkt. Renate Kern erzählt später, dass ihre Familie auf einem Versuchsgelände mit Holzhäuschen gelebt habe – bei einem seiner Versuche sprengt ihr Vater das kleine Anwesen versehentlich in die Luft. Als Kind erhält Renate Kern von ihrer Mutter Klavierunterricht, später bringt sie sich das Gitarrenspiel bei. Bereits in frühen Jahren begleitet die Sängerin ihre Mutter bei Bühnenauftritten mit der Gitarre.
Ursprünglich hegt Renate Kern den Wunsch als Lehrerin zu arbeiten, doch während eines Schüleraustausches in den USA wird sie von Werner Last – dem Bruder von James Last – entdeckt, und macht mit ihrer tiefen Stimme schnell Karriere. 1965 platzieren sich ihre ersten Songs im modischen Beat-Sound der Zeit auf Anhieb in den deutschen Charts. „Kiss And Shake“, „Du bist meine Liebe“, „Lieber mal weinen im Glück“, „Du musst mit den Wimpern klimpern“, „Lass doch den Sonnenschein“, „Lieber heute geküsst“ und „Alle Blumen brauchen Sonne“ zählen zu ihren großen Erfolgen. Als sich ihre erste Single „Kiss And Shake“ in den Hitparaden platziert und ihr Name zum ersten Mal mit großen Fotos in den Illustrierten auftaucht, steht die frisch gebackene Abiturientin hinter der Ladentheke einer Kurzwarenabteilung. Sie entscheidet sich für eine Ausbildung zur Texilverkäuferin – weil sie schon immer gern näht und die Lehre Sicherheit bietet. Von ihrer ersten Gage kauft sie sich eine Nähmaschine.
1970 hat Renate Kern den Höhepunkt ihrer Karriere erreicht – James Last nimmt sie mit auf Welttournee, sie gibt Konzerte in Kanada, Großbritannien, Spanien, Luxemburg und Österreich, im Berliner Sportpalast, in der Frankfurter Jahrhunderthalle und vor zwölftausend Zuschauern in der Oldenburger Weser-Ems-Halle. Renate Kern nimmt an diversen Festivals und Schlagerwettbewerben teil – beim Internationalen Lieder-Festival im polnischen Zoppot und beim Deutschen Schlagerwettbewerb, wo sie mit „Alle Blumen brauchen Sonne“ den zweiten Platz belegt. Ihr frisch erworbenes Vermögen ermöglicht es ihr, sich den Traum vom eigenen Heim zu erfüllen – „Das Haus ist für mich eine Art Festung, in der ich mich verkriechen kann“ so Renate Kern.
Ihren letzten Hit hat Renate Kern 1974 mit „Wenn du gehst“. Ab 1976 singt sie auch auf französisch unter dem Namen Nathalie de Navarre. Einen weiteren Künstlernamen legt sich die Sängerin 1981 zu – als Nancy Wood wendet sie sich der Country-Musik zu und hat 1981 in den USA einen kleinen Hit mit „Imagine That“. Auch wenn sie nach Tina Rainford die einzige Deutsche ist, die einen Chart-Erfolg in den amerikanischen Country-Charts vorweisen kann, stellt sich der große Durchbruch bei ihr nicht ein. Sie tritt auf Autobahnraststätten auf, bei Stadtfesten und hat eine eigene Hörfunksendung. 1982 wählt das niederländische Country-Magazin „Gazette“ Renate Kern zur besten europäischen Country-Sängerin.
Renate Kern kann mit dem Image der „Seelentrösterin der Nation“ und „Königin der Provinz“ nicht viel anfangen und Ende der achtziger Jahre beginnt sie zunehmend an Depressionen zu leiden. Schlager werden immer weniger gehört, Fernsehauftritte werden seltener, die Umsätze sinken – auch bei Renate Kern. Am 18. Februar 1991 findet man die Sängerin erhängt in ihrem Haus.