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Richard Wagner

Als genialer Komponist und wagemutiger Visionär beeinflusst er die Musikgeschichte wie kein anderer, er verkörpert den Prototypen des typischen Deutschen und sein Leben und Werk fasziniert Klassikfreunde rund um die Welt. Mit eindrucksvollen Bühnenwerken wie „Lohengrin“, „Tannhäuser“ und „Parsifal“ revolutioniert Richard Wagner die Oper und bleibt trotz allem bis heute umstritten – während seine Anhänger den „Meister aus Bayreuth“ als musikalisches Genie tief verehren, sehen Historiker ihn als Wegbereiter des modernen Antisemitismus

Richard Wagner wird am 22. Mai 1813 als neuntes Kind des Polizeischreibers Carl Friedrich Wagner und der Bäckerstochter Johanna Rosine Wagner in Leipzig geboren. Er kommt in der Endphase der Befreiungskriege zur Welt, unweit seiner Heimatstadt findet die bis dahin größte Schlacht der Weltgeschichte – die „Völkerschlacht“ – zwischen Russen, Preußen, Österreichern und Franzosen statt. Als er fünf Monate alt ist, verliert Richard Wagner in den Kriegswirren seinen Vater und später auch seine Schwester und Großmutter. Zeit seines Lebens ist Richard Wagner von den Kriegsfolgen traumatisiert.

1814 zieht Richard Wagners Mutter mit den Kindern nach Dresden, wo sie den Maler, Schauspieler und Dichter Ludwig Geyer heiratet – dieser nimmt ihn häufig mit ins Dresdner Hoftheater. Nach dem Besuch von Carl Maria von Webers „Freischütz“, beschließt Richard Wagner, Komponist zu werden. Als Jugendlicher verfasst er erste Dramen und 1831 beginnt er in Leipzig ein Musikstudium – ab 1835 ist er Musikdirektor der Magdeburger Theatergesellschaft.

Richard Wagner gilt in der Opernwelt als unkonventioneller Neuerer – er veranlasst, dass die Sänger wie Schauspieler agieren, auch definiert er die Rolle des Dirigenten neu, in dem er auswendig dirigiert und mit Mimik und Gestik die Emotionalität der Musik unterstreicht.

Nach mehreren abgesagten Aufführungen und Theaterpleiten flüchtet Richard Wagner vor seinen Gläubigern über Riga, Königsberg und London nach Paris um in der damaligen Welthauptstadt der Oper Fuß zu fassen, was ihm jedoch nicht gelingt. Erst als 1842 in Dresden seine Oper „Rienzi“ erfolgreich aufgeführt wird, ist er seine Schulden los – die Oper bedeutet den künstlerischen Durchbruch für den jungen Richard Wagner. Danach erhält er Angebote von mehreren europäischen Bühnen und entscheidet sich schließlich für die Dresdner Semperoper, wo 1843 sein Werk „Der fliegende Holländer“ – inspiriert von Wilhelm Hauffs Märchen vom Gespensterschiff – ohne nennenswerten Erfolg aufgeführt wird.

Zeit seines Lebens ist Richard Wagner ein politischer Mensch – er verfasst Pamphlete und beteiligt sich 1849 in Dresden an der Mai-Revolution, woraufhin er steckbrieflich gesucht wird, mit falschem Pass in die Schweiz flieht und sich in Zürich niederlässt. Nach einer allgemeinen Amnestie kann er nach Deutschland zurückkehren – in der Zwischenzeit erfreuen sich seine Werke immer größerer Beliebtheit. Sein Versuch, die Oper „Tristan & Isolde“ in Wien auf die Bühne zu bringen, scheitert jedoch.

Zum glühendsten Fan Richard Wagners avanciert in jener Zeit der junge bayerische König Ludwig II., was sich für den Komponisten als Glücksfall erweist. Der kunstsinnige und fortschrittliche Regent bezahlt dessen Schulden und unterstützt seinen Plan, ein eigenes Festspielhaus zu bauen, wo Richard Wagner seine aufwändigen Musikdramen ganz nach seinen Vorstellungen aufführen kann. Nachdem jedoch das bayerische Kabinett wegen der hohen Kosten Einspruch erhebt und Richard Wagners politischen Einfluss fürchtet, muss dieser das Land verlassen – ein weiterer Grund für die Flucht in die Schweiz ist Richard Wagners in der bayrischen Öffentlichkeit als skandalös empfundene Beziehung zu der noch verheirateten Cosima von Bülow.

In der Schweiz vollendet Richard Wagner im bei Luzern gelegenen Landhaus Tribschen die „Meistersinger von Nürnberg“ und schreibt am „Ring des Nibelungen“, 1850 findet in seiner Abwesenheit in Weimar die Uraufführung von „Lohengrin“ statt. 1870 heiratet er in Luzern die inzwischen vom Dirigenten Franz von Bülow geschiedene Cosima von Bülow – er darf nach Bayern zurückkehren und 1872 im fränkischen Bayreuth sein ersehntes Festspielhaus bauen. Die Spielstätte bricht mit vielen Traditionen, das Orchester befindet sich unsichtbar im Graben und das Publikum sitzt – im Gegensatz zu den meisten anderen Theatern – im Dunkeln. Die ersten Festspiele finden im Sommer 1876 statt – zur Eröffnung erscheint die gesamte politische und kulturelle Elite Europas, darunter Kaiser Wilhelm I., Peter Tschaikowski und Friedrich Nietzsche. Bis heute gelten die Bayreuther Festspiele in Deutschland als Höhepunkt aller Kulturveranstaltungen. 1874 beziehen Cosima und Richard Wagner das „Haus Wahnfried“, das in unmittelbarer Nähe zum Festspielhaus liegt.

Richard Wagner ist zweimal verheiratet – von 1836 bis zu deren Tod 1866 mit der Schauspielerin Minna Planer und von 1870 bis zu seinem Tod mit Cosima von Bülow, einer Tochter des Komponisten und Pianisten Franz Liszt, mit dem Richard Wagner jahrelang befreundet ist. Zwischendurch hat er mehrere Affären – unter anderem mit der verheirateten Jessie Laussot und mit Mathilde Wesendonck, deren Gedichte er in den „Wesendonck-Liedern“ vertont. Aus der Ehe mit Cosima gehen die Kinder Isolde, Eva und Siegfried hervor, Cosima bringt außerdem die beiden Töchter Daniela und Blandine aus ihrer vorangegangenen Ehe mit dem Dirigenten Franz von Bülow mit in die Ehe.

1881 reist der gesundheitlich angeschlagene Richard Wagner mit seiner Familie nach Sizilien, wo der den „Parsifal“ vollendet – wenig später kommt es bei einer Privataufführung des „Parsifal“-Vorspiels in München zu einer letzten Begegnung zwischen Richard Wagner und König Ludwig II. Ein Jahr später reist Richard Wagner erneut nach Italien, wo er am 13. Februar 1883 im Alter von neunundsechzig Jahren in einem Hotelzimmer in Venedig stirbt. Sein Leichnam wird nach Bayreuth überführt und im Park der „Villa Wahnfried“ beigesetzt.

Richard Wagners Gesamtwerk gilt als Höhepunkt der romantischen Musik und beeinflusst diverse spätere Komponisten nachhaltig. Sein Weltbild – geprägt von einer Sehnsucht nach Aufbruch, nach Umsturz, nach neuer Kunst und Gesellschaft durch den Untergang des Bestehenden – wird gespeist durch seine Abneigung der Aristokratie sowie Aspekten wie der Rückkehr zur Natur, der Ablehnung der Industrialisierung sowie nationalistischer Fantasien wie der totalen Einheit des Volkes.

Wie kaum ein anderer Künstler polarisiert Richard Wagner mit seinem vielschichtigen Werk bis in die Gegenwart hinein. Historiker sehen in ihm einen Vorreiter des modernen Antisemitismus, der damals in den besseren Kreisen en vogue ist und für Richard Wagners Minderwertigkeitskomplex ein willkommenes Ventil darstellt. Trotz zahlreicher Freundschaften zu jüdischen Landsleuten verfasst er im Laufe seines Lebens zahlreiche antisemitische Schriften, sieht sich häufig als Opfer angeblicher jüdischer Gegnerschaft und äußerst sich missgünstig und diffamierend über jüdische Kollegen wie Giacomo Meyerbeer und Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Einfluss der Gedankenwelt Richard Wagners auf Adolf Hitler wird seit Jahrzehnten publizistisch behandelt, auch wenn beide sich persönlich nie begegnet sind. Adolf Hitler besucht regelmäßig die Oper und beschäftigt sich intensiv mit dem Werk des Komponisten, den er als persönliches Idol betrachtet und als „größte Prophetengestalt, die das deutsche Volk je besessen hat“ bezeichnet. Die enge Beziehung der Wagner-Familie zu Adolf Hitler und deren Sympathie für die Nationalsozialisten sind hinlänglich bekannt – rechte Aktivisten und Rassentheoretiker wie Houston Stewart Chamberlain gehen in der „Villa Wahnfried“ ein und aus. Auch Thomas Mann beschäftigt sich mit der Thematik: „Es ist viel Hitler in Wagner“. In Israel ist Richard Wagners Musik bis heute umstritten, die öffentliche Aufführung seiner Werke ist dort kaum möglich.

2012 wird in Bayreuth die Wanderausstellung „Verstummte Stimmen – die Bayreuther Festspiele und die Juden 1876 bis 1945“ ausgestellt, in welcher an jüdische frühere Mitwirkende bei Wagner-Festspielen erinnert wird, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.