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Rosa von Praunheim

Als Meister des inszenierten Tabubruchs und als Regisseur von unkonventionellen Filmen ist Rosa von Praunheim der unbestrittene Pionier der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung Deutschlands – als unermüdlicher Kämpfer für die Rechte von Homosexuellen sorgt er seit den siebziger Jahren für ein Umdenken in der Gesellschaft und verändert diese damit nachhaltig

Rosa von Praunheim wird als als Holger Radtke am 25. November 1942 während der Zeit der deutschen Besatzung im Zentralgefängnis im lettischen Riga geboren. Seine leibliche Mutter stirbt 1946 in einer psychiatrischen Heilanstalt in Berlin und der Junge wird zur Adoption freigegeben. Als Holger Mischwitzky wächst er zunächst in Ostberlin auf, 1953 flüchtet die Familie ins Rheinland und zieht anschließend nach Frankfurt/Main, wo er bis zur Mittleren Reife ein Humanistisches Gymnasium besucht.

Danach studiert Rosa von Praunheim an der Werkkunstschule in Offenbach und später an der Westberliner Hochschule für Bildende Künste Freie Malerei, zur selben Zeit nimmt seinen Künstlernamen an – eine Reminiszenz an den Rosa Winkel, den homosexuelle Männer während des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern tragen mussten, sowie an den Frankfurter Stadtteil Praunheim, wo er als Jugendlicher aufwächst.

Gegen Ende der sechziger Jahre debütiert Rosa von Praunheim mit ersten Experimental- und Kurzfilmen wie „Grotesk – Burlesk, Pittoresk“ (1968), „Schwestern der Revolution“ (1969) und „Samuel Beckett“ (1969). Sein erster Spielfilm „Die Bettwurst“ entsteht 1970 und erlangt bald Kultstatus. Danach sorgt er mit dem dokumentarischen Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ für Aufsehen in Deutschland – als der Film 1973 im Deutschen Fernsehen gezeigt wird, schaltet sich der Bayerische Rundfunk heraus. Im Fahrwasser der damals entstehenden Frauenbewegung werden zahlreiche Homosexuelleninitiativen gegründet und Rosa von Praunheim steigt über Nacht zu deren Ikone auf.

Die nachfolgenden Filme Rosa von Praunheims werden von drei thematischen Bereichen geprägt – die Lebenswege vitaler, älterer Frauen wie in „Unsere Leichen leben noch“ (1981), Homosexualität und Aids in „Ein Virus kennt keine Moral“ (1985) und die Stadt New York in „Überleben in New York“ (1989). Schauspielerinnen wie Evelyn Künneke und Lotti Huber – mit der er bis zu ihrem Tod eng befreundet ist – werden durch Auftritte in seinen Filmen zu Kultfiguren der schwulen Subkultur. Neben skurrilen Spielfilmen wie „Horror vacui“ (1984) und „Anita – Tänze des Lasters“ (1989) – einer Biografie des Berliner Varieté-Stars Anita Berber – wendet sich Rosa von Praunheim seit den neunziger Jahren in erster Linie dokumentarischen Pojekten zu. In Filmen wie „Ich bin meine eigene Frau“ (1991) – einer Biografie des kämpferischen Berliner Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf – über „Männer, Helden, schwule Nazis“ (2004) bis hin zu „Tote Schwule – lebende Lesben“ (2007) widmet sich der Regisseur hier den verschiedenen Facetten homosexuellen Lebens.

1991 sorgt Rosa von Praunheim mit einer Outing-Kampagne für einen handfesten Skandal in Deutschland – in einer medienwirksamen Aktion outet er Prominente wie Hape Kerkeling oder Alfred Biolek, die ihre Homosexualität jahrelang geheim halten. Mit der moralisch fragwürdigen Aktion will er nach eigener Aussage auf die vernachlässigte Aids-Problematik sowie bürgerliche Doppelmoral aufmerksam machen. Später bezeichnet er die Aktion als „Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aids-Krise“, die er so nicht wiederholen würde.

1979 erhält Rosa von Praunheim den „Deutschen Filmpreis“ für „Tally Brown“ – für „Wrodow“ wird er 1999 mit dem „Robert-Geisendörfer-Medienpreis“ ausgezeichnet. 2008 bekommt er den siebzehnten „Rosa-Courage-Preis“ sowie den Filmpreis der Stadt Hof. Neben seiner Tätigkeit als Filmemacher arbeitet Rosa von Praunheim seit den sechziger Jahren auch als Sachbuchautor, Dichter und Schriftsteller. Bis 2006 ist er als Dozent für Filmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film in Potsdam tätig.

In seiner 1993 erscheinenden Biografie schreibt Rosa von Praunheim: „Ich liebe Schwänze und freche Frauen. Ich liebe Sensationen, Provokationen und Unverschämtheiten. Ich liebe das Abenteuer, die Unruhe und harte Muskeln, ich hasse Anpasser und Feiglinge und finde Hausfrauen und Beamte exotisch. Ich liebe mich, meine Energie und mein Arschloch“. Mit seinen provokanten Statements macht er sich unter Homosexuellen nicht nur Freunde: „Schwule wollen nicht schwul sein, sondern so spießig und kitschig leben wie der Durchschnittsbürger – ihre politische Passivität und ihr konservatives Verhalten sind der Dank dafür, dass sie nicht totgeschlagen werden“.

Zehn Jahre lang – bis zu ihrem Tod – lebt Rosa von Praunheim mit seiner Adoptiv-Mutter in seiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf. Die Dame – die auch hin und wieder in seinen Filmen zu sehen ist – sagt einmal, sie hätte zwei Weltkriege überlebt – er sei der Dritte.