Er verkörpert die Modernisierung Deutschlands von der Kaiserzeit bis in die frühen Jahre der Bundesrepublik, genießt als „Papa Heuss“ viel Sympathie und setzt demokratische Maßstäbe, die bis heute gelten – Theodor Heuss trägt als erster deutscher Bundespräsident nicht unwesentlich dazu bei, dass sich das Ansehen des Landes nach den dunklen Jahren des Nationalsozialismus erheblich verbessert
Theodor Heuss wird am 31. Januar 1884 im württembergischen Brackenheim als Sohn des Ingenieurs Ludwig Heuss und dessen Frau Elisabet geboren und wächst behütet mit zwei älteren Brüdern in einem evangelischen Elternhaus auf. Im nahegelegenen Heilbronn besucht er die Volksschule und das humanistische Karlsgymnasium, wo er 1902 das Abitur ablegt. Wegen einer Schulterverletzung wird er – der für den Militärdienst ohnehin nicht viel übrig hat – weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg eingezogen.
Theodor Heuss studiert in München und Berlin Wirtschaft, Literatur, Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte und promoviert 1905 in Heilbronn mit einer Arbeit über den Weinbau – danach arbeitet er als Redakteur unter anderem für die Berliner Zeitschrift „Die Hilfe“, er schreibt Artikel über Design, Kunst und Architektur und ist von 1912 bis 1918 Chefredakteur der Heilbronner „Neckar-Zeitung“ und von 1923 bis 1926 Herausgeber der Zeitschrift „Die Deutsche Nation“.
Mit einer kurzen Unterbrechung ist Theodor Heuss von 1924 bis 1933 Abgeordneter des Deutschen Reichstags – 1933 stimmt er dort dem von den Nationalsozialisten initiierten Ermächtigungsgesetz zu und wird deswegen noch Jahre später als „Steigbügelhalter“ Adolf Hitlers kritisiert.
Den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten fallen auch Werke von Theodor Heuss zum Opfer – unter anderem sein Buch „Hitlers Weg“. 1936 erhält er ein Publikationsverbot und verliert sein Lehramt. Während des Zweiten Weltkrieges schreibt er unter Pseudonym diverse Zeitungsartikel, kulturpolitische Aufsätze und Biografien – unter anderem über den Politiker Friedrich Naumann, den Chemiker Justus von Liebig und den Industriellen Robert Bosch. In jenen Jahren wird er finanziell von seiner Frau unterstützt, die in der Werbung tätig ist, als Erfinderin des „Radio-Jingles“ gilt und ihrem Mann zu einem Gastauftritt in einer Werbung für „Nivea-Creme“ verhilft.
Nach dem Ende des Krieges 1945 wird Theodor Heuss Herausgeber der „Rhein-Neckar-Zeitung“ und im selben Jahr Kultusminister von Württemberg-Baden. Nach dem Zusammenschluss mehrerer liberaler Parteien zur FDP („Freie Demokratische Partei“) wird er 1947 deren erster Vorsitzender. 1948 erarbeitet und beschließt er als Mitglied des Parlamentarischen Rates das deutsche Grundgesetz und gehört damit zu den Gründervätern der Bundesrepublik Deutschland.
Von 1949 bis 1959 bekleidet Theodor Heuss das Amt des ersten deutschen Bundespräsidenten – in dieser Funktion spricht er sich für eine „Entkrampfung“ der Deutschen ein, er lehnt eine Holocaust-Kollektivschuld ab und bekennt sich zu einer „Kollektivscham“. Als Repräsentant der demokratischen und liberalen deutschen Tradition gelingt es ihm bald, im Ausland verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Nachdem sich die Weltgemeinschaft mit Kontakten noch zurückhält, wird er schließlich von Griechenland zum Staatsbesuch eingeladen und bald erfolgt auch eine Einladung in die Türkei – beiden Ländern bleibt Theodor Heuss bis ans Lebensende verbunden.
Weil die deutsche Nationalhymne durch den Missbrauch der Nazis nicht mehr tragbar sei, textet Theodor Heuss eine neue Hymne, die schon bald als „Theos Nachthymne“ verspottet wird – Konrad Adenauer favorisiert die alte Hymne und man einigt sich schließlich auf das Absingen der dritten Strophe. Das Gerangel um das Lied der Deutschen symbolisiert auch das neue Machtgefüge der jungen Republik, in welcher das Amt des Bundespräsidenten lediglich repräsentativen Charakter hat.
Theodor Heuss schreibt als ehemaliger Journalist seine Reden stets selbst und wird im Land nicht nur deswegen als authentisch empfunden – im Volksmund nennt man ihn auch „Papa Heuss“. Als bürgerlich gebildeter und dennoch bodenständiger, gemütvoller und heimatverbundener Schwabe erfreut er sich großer Beliebtheit – stets auf Ausgleich bedacht hebt er sich wohltuend vom kämpferisch-autoritären und oft auch demagogischen damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer ab. Um ihm ein dritte Amtszeit zu ermöglichen, erwägt man sogar kurz das Grundgesetz zu ändern – dies lehnt Theodor Heuss jedoch ab und 1959 wird Heinrich Lübke sein Nachfolger. Theodor Heuss zieht sich ins Privatleben in seinen Stuttgarter Altersruhesitz zurück, er unternimmt Reisen nach Israel, Indien und Großbritannien und widmet sich seinen Lebenserinnerungen.
Theodor Heuss erhält zahlreiche Auszeichnungen – unter anderem die „Sonderstufe des Großkreuzes der Bundesrepublik Deutschland“, den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“, den „Groß-Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich“ und das „Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik“. Städte wie Berlin, Bonn, Brackenheim, Darmstadt, Frankfurt/Main, Heilbronn, Kiel, Köln und Stuttgart ernennen ihn zum Ehrenbürger und mehrere Universitäten verleihen ihm Ehrendoktortitel – darunter die neue „Freie Universität Berlin“. 1951 stiftet er den „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“ zur Würdigung von Verdiensten um Volk und Staat.
Theodor Heuss ist von 1908 bis zu deren Tod 1952 mit Elly Heuss-Knapp verheiratet, der Gründerin des nach ihr benannten Müttergenesungswerkes – aus der Ehe geht Sohn Ernst Ludwig hervor. Beide werden vom späteren Nobelpreisträger Albert Schweitzer getraut, mit dem seine Frau befreundet ist. Nach deren Tod lebt Theodor Heuss mit seiner Jugendfreundin Toni Stolper zusammen.
Theodor Heuss stirbt am 12. Dezember 1963 mit neunundsiebzig Jahren in Stuttgart – er wird mit einem Staatsbegräbnis auf dem dortigen Waldfriedhof neben seiner Frau beigesetzt.
Nach dem Tod von Theodor Heuss werden in Deutschland Kasernen, Schulen, Straßen und Plätze nach ihm benannt – auch ein Seenotrettungskreuzer, ein Fährschiff der Vogelfluglinie Fehmarn sowie ein Airbus des Verteidigungsministeriums trägt seinen Namen. Sein ehemaliges Wohnhaus in Stuttgart ist heute ein Museum und die nach ihm benannte „Theodor-Heuss-Stiftung“ vergibt seit 1964 jährlich einen Preis für bürgerschaftliche Initiative und Zivilcourage.