Er gilt als größter Wagner-Tenor der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts – Wolfgang Windgassen zählt knapp zwanzig Jahre lang zu den verlässlichsten Stimmen auf dem Bayreuther „Grünen Hügel“, wo man ihn als hervorragenden Sänger und Schauspieler bei den dortigen Festspielen in allen großen Wagner-Partien erleben kann
Wolfgang Windgassen kommt am 26. Juni 1914 in Annemasse im französischen Département Haute-Savoie zur Welt. Er ist der Sohn des Tenors Fritz Windgassen und der Koloratursopranistin Vally van Osten. Auf Wunsch seines Vaters absolviert er an der Stuttgarter Staatsoper ein technisches Volontariat, danach studiert er Gesang bei seinem Vater und an der Stuttgarter Musikhochschule bei Alfons Fischer sowie bei Maria Ranzow – 1939 gibt er sein Bühnendebüt am Pforzheimer Stadttheater als „Pinkerton“ in Puccinis „Madame Butterfly“.
Durch den Zweiten Weltkrieg wird seine Karriere zunächst unterbrochen, Wolfgang Windgassen wird als Soldat eingezogen und kann erst nach Kriegsende seine Laufbahn erfolgreich fortsetzen. Seit 1945 gehört er als Nachfolger seines Vaters zum Ensemble der Stuttgarter Staatsoper, der er bis zu seinem Tode treu bleibt. In Stuttgart singt er zunächst lyrische Partien wie den „Tamino“ in der „Zauberflöte“, den „Hoffmann“ in „Hoffmanns Erzählungen“ sowie etliche Rollen aus dem italienischen Fach. 1946 singt er in der deutschen Erstaufführung der Oper „Mathis der Maler“ von Paul Hindemith in Stuttgart den „Schwalb“.
Ab den fünfziger Jahren übernimmt er diverse Wagner-Partien – sein erster „Siegmund“ in der „Walküre“ wird 1951 in Stuttgart als durchschlagender Erfolg gefeiert. Zwischen 1951 und 1970 singt er bei den Bayreuther Festspielen alle großen Wagner-Partien – den „Erik“, „Tannhäuser“, „Lohengrin“, „Loge“, „Siegmund“, „Siegfried“, „Walther von Stolzing“, „Tristan“ und „Parsifal“. Unter der Führung seines großen Förderers Wieland Wagner wächst er in Bayreuth zum großen Sänger-Schauspieler heran.
Das Repertoire von Wolfgang Windgassen umfasst nicht nur Wagner-Partien, weitere Rollen sind der „Adolar“ in Webers „Euryanthe“, der „Don José“ in Bizets „Carmen“, der Kaiser in „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss, der Florestan in Beethovens „Fidelio“ und der „Otello“ in Verdis gleichnamiger Oper – auch singt er den „Eisenstein“ aus der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Unzählige Gastspiele führen Wolfgang Windgassen an alle großen europäischen Opernhäuser sowie zu Konzerten nach Südamerika, Australien und den USA. 1970 erlebt man ihn an der Oper von San Francisco, wo er als Partner von Birgit Nilsson als „Isolde“ den „Tristan“ interpretiert.
Gegen Ende der sechziger Jahre tut sich Wolfgang Windgassen auch als Opernregisseur hervor, 1969 inszeniert er an der Königlichen Oper in Kopenhagen Wagners „Tristan und Isolde“. 1951 wird der Tenor zum Kammersänger ernannt und 1967 ernennt ihn die Stadt Bayreuth zum Ehrenbürger. Von 1972 bis 1974 ist er künstlerischer Direktor der Stuttgarter Staatsoper und von 1963 bis 1972 Präsident der „Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger“.
Wolfgang Windgassen ist mit der Sopranistin Lore Wissmann verheiratet und hat einen Sohn. Der gefeierte Tenor stirbt am 8. September 1974 kurz nach seinem sechzigsten Geburtstag in Stuttgart an den Folgen eines Herzinfarktes. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Stuttgart.