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Claire Waldoff

In Männerkleidung und mit frivolen Liedern überzeugt Claire Waldoff in den Berliner Kabaretts mit Charme, Wortwitz und ihrem unverkennbaren Gesangsstil. Als „Jöre mit Herz und Schauze“ wird sie in den zwanziger Jahren in den Arbeiterkneipen, Theatern und Nachtclubs zum Liebling des Proletariats – bis heute gehört ihr umfangreiches musikalisches Erbe zum Repertoire zahlreicher Diseusen

Claire Waldoff wird am 21. Oktober 1884 als Klara Wortmann in Gelsenkirchen geboren. Als elftes von sechzehn Kindern des Bergarbeiters und späteren Gastwirts Wilhelm Wortmann und dessen Frau Clementine lässt sich ihr Wunsch Ärztin zu werden nicht verwirklichen. Nach dem Besuch des Mädchengymnasiums in Hannover – wo sie bei den Eltern des Schauspielers Theo Lingen wohnt – schlägt Claire Waldoff eine Schauspielkarriere ein. In Bad Pyrmont und in Kattowitz macht sie erste Bühnenerfahrungen, bevor sie nach Berlin geht. Dort spielt sie zunächst kleinere Rollen an diversen Theatern – unter anderem im „Figaro“, einer Bühne am Kurfürstendamm – dann entschließt sie sich ins Kabarett-Fach zu wechseln.

Claire Waldoff erhält ein Engagement am bekanntesten Berliner Kabarett „Roland von Berlin“ in der Potsdamer Straße, bald gastiert sie auch im „Chat Noir“ an der Friedrichstraße und am „Linden-Cabaret“ Unter den Linden. Als sie in einer Vorstellung in Männerkleidung auftreten will, läuft sie Gefahr, von der anrückenden Polizei verhaftet zu werden. Daraufhin entschließt sie sich, im Abendkleid aufzutreten und die Polizei muss unverrichteter Dinge wieder abziehen. Während des Ersten Weltkrieges ist sie im Königsberger Apollo-Theater engagiert.

Zum Markenzeichen von Claire Waldoff gehören Krawatte, Hemdbluse und bronzeroter Bubikopf – mit zahlreichen Gassenhauern, Schlagern und Chansons im Berliner Jargon, den sie sich bei Kneipentouren aneignet, kommt sie bald zu Ruhm weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die mit ihrer einzigartigen Stimme vorgetragenen eingängigen Lieder wie „Warum soll er nicht mit ihr“, „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“, „Hermann heeßt er“, „Wegen Emil seine unanständige Lust“, „Wenn der Bräutigam mit der Braut so mang die Wälder jeht“, „Hannelore“ und „Wer schmeißt denn da mit Lehm?“ avancieren bald in allen Berliner Kreisen zu eingängigen Schlagern.

Ab Mitte der zwanziger Jahre feiert Claire Waldoff ihre größten Erfolge, sie hat Soloauftritte in den beiden größten Berliner Varietés – der Scala und dem Wintergarten – und auf allen namhaften Bühnen Deutschlands. Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen in Rekordauflagen und Tourneen machen die auch sozial engagierte Künstlerin in ganz Deutschland populär. Sie wird für Operetten und Ausstattungsrevuen engagiert und steht mit der noch unbekannten Marlene Dietrich auf der Bühne. Claire Waldoffs Repertoire umfasst zu dieser Zeit rund dreihundert Stücke – Couplets, Berliner Gassenhauer, Volkslieder, Operettenmelodien und literarische Chansons – über das neue Medium Rundfunk wird die Stimme der Volkssängerin in jedem fünften deutschen Haushalt gehört.

Mit ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder – die einer US-amerikanischen Schauspielerfamilie entstammt – ist Claire Waldoff Mittelpunkt der lesbischen Community im Berlin der zwanziger Jahre. Regelmäßig besucht sie den Damenklub „Pyramide“, wo unter anderem die Tänzerinnen Anita Berber und Cilly de Rheydt verkehren. Auch führen beide Frauen einen kulturell-politischen Salon zum Gedankenaustausch unter Lesben. „Wir hatten beide das große Los aneinander gezogen“ schreibt die Künstlerin in ihren Memoiren – „Olly ist überhaupt ein seltener, lauterer Charakter, ein wunderbarer Mensch“. Bis zu ihrem Tod ist sie ihre Lebensgefährtin.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutet für Claire Waldoff einen deutlichen Einschnitt, wenn auch kein abruptes Ende ihrer Laufbahn. Für einige Zeit hat sie politisches Auftrittsverbot – weil sie noch kurz zuvor bei der kommunistischen „Roten Hilfe“ im Berliner Sportpalast auftritt. Nach Vorlage ihres „Ariernachweises“ und nachdem sie der Reichskulturkammer beitritt, darf sie ihre Karriere fortsetzen. Man kann sie unter anderem in einem Doppelprogramm mit Lene Ludwig sehen, wo sie parodistische Tänze mit Masken von Prominenten aufführt. Im Völkischen Beobachter wird die populäre Künstlerin zwar gelobt, aber der Inhalt ihrer Lieder und ihr freches Auftreten stehen nicht im Einklang mit dem nationalsozialistischen Frauenbild – dies gilt auch für ihre lesbische Beziehung.

1933 bekommt Claire Waldoff von Propagandaminister Joseph Goebbels Auftrittsverbot, weil ihr Gassenhauer „Herrmann heest er“ vom Volk auf Hermann Göhring umgedichtet wird. Deutsche Theater wagen es immer seltener, sie zu engagieren, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Claire Waldorf geht auf eine ausgedehnte Tournee durch die deutsche Provinz und singt vor den deutschen Soldaten im besetzten Paris.

Nach dem Krieg plant Claire Waldoff eine Fortsetzung ihrer Karriere, doch der Erfolg will sich nicht einstellen. Die Währungsreform 1948 kostet sie ihre Ersparnisse und sie verarmt. Der Berliner Magistrat gewährt ihr zum siebzigsten Geburtstag eine kleine Ehrenrente.

Claire Waldoff stirbt am 22. Januar 1957 im oberbayrischen Bad Reichenhall – wo sie mit ihrer Lebensgefährtin ihre letzten Lebensjahre verbringt – an den Folgen eines Schlaganfalls. Sie wird auf dem Pragfriedhof Stuttgart neben Olga von Roeder beigesetzt.

Claire Waldoff ist ein Stern auf dem „Walk Of Fame“ des Kabaretts gewidmet.