Bekannt für seine schonungslos entlarvenden Filme über das französische Bürgertum gilt Claude Chabrol als einer der wichtigsten Vertreter der „Nouvelle Vague“ – virtuos bringt er Horror und Schrecken hinter die Fassaden bürgerlicher Wohlanständigkeit und prägt damit in halbes Jahrhundert lang die französische Filmlandschaft
Claude Henri Jean Chabrol wird am 24. Juni 1930 als Sohn eines Apothekers in Paris geboren und wächst bei den Großeltern im zentralfranzösischen Dorf Sardent auf, wo er bereits mit dreizehn Jahren einen Filmclub in einer Dorfscheune gründet.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrt Claude Chabrol nach Paris zurück, besucht ein Lycée und studiert danach Literaturwissenschaft, Jura und Pharmazie, was er bald abbricht. Er ist Stammgast eines Cineasten-Zirkels im Pariser Café de la Comédie und macht sich bald einen Namen als Kritiker der Kinozeitschrift „Cahiers du Cinéma“, nebenher arbeitet er in der Presseabteilung von Twentieth Century Fox in Paris. Zusammen mit Eric Rohmer veröffentlicht er 1956 eine Monografie über sein großes Vorbild Alfred Hitchcock – es ist die weltweit erste Hitchcock-Monografie überhaupt.
Die üppige Erbschaft seiner ersten Frau Agnès Goute ermöglicht Claude Chabrol 1957 die Realisierung seines ersten Films „Le Beau Serge“ („Die Enttäuschten“), den er in acht Wochen in der Gemeinde Sardent im französischen Département Creuse abdreht. Der unerwartete Erfolg seines Erstlingswerks veranlasst ihn, mit dem Filmen weiterzumachen. 1959 erscheint „Les Cousins“ („Schrei, wenn du kannst“), danach gründet er seine eigene Film-Produktionsfirma „AJYM“.
Zusammen mit Jean-Luc Godard, Jacques Rivette, François Truffaut und Eric Rohmer gehört Claude Chabrol zu den Begründern der „Nouvelle Vague“ („Neue Welle“), welche sich unter dem Einfluss des italienischen Neorealismus gegen die Verbiederung und Vorhersehbarkeit des französischen Films wendet. Unter Mitwirkung von jungen Nachwuchsdarstellern wie Jeanne Moreau, Michel Piccoli und Jean-Paul Belmondo entstehen düster-beklemmende Filme, in denen mit intellektueller Schärfe und erzählerischem Realismus die schlummernde Gewalt unter dem Deckmantel des Bürgertums seziert wird.
Seinen Durchbruch hat Claude Chabrol 1962 mit der schwarzen Komödie „Landru“ („Der Frauenmörder von Paris“) mit Stéphane Audran, Danielle Darrieux und Hildegard Knef – danach folgen „Les Biches“ („Zwei Freundinnen“, 1968) mit Jean-Louis Trintignant, „La femme infidèle“ („Die untreue Frau“, 1969), „Que la bête meure“ („Das Biest muß sterben“), „Le Boucher“ („Der Schlachter“, 1970) und „La Rupture“ („Der Riß“, 1970) mit Jean-Pierre Cassel. Es folgen „Les noces rouges“ („Blutige Hochzeit“, 1973) und „Les Innocents aux mains sales“ („Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen“) mit Romy Schneider.
Selten macht ein Filmemacher – der über einen eigenen Stil und eine eigene Sprache verfügt – so viele Wandlungen und Veränderungen durch wie Claude Chabrol. 1982 erscheint die schwarze Komödie „Les Fantômes du chapelier“ („Die Fantome des Hutmachers“) mit Michel Serrault und Charles Aznavour, 1987 „Le cri du hibou“ („Der Schrei der Eule“) mit Mathilda May und 1988 „Une affaire de femmes“ („Eine Frauensache“) mit Claude Chabrols Lieblings-Aktrice Isabelle Huppert.
Auch in den neunziger Jahren ist der Filmemacher sehr aktiv – er dreht „Jours tranquilles à Clichy“ („Stille Tage in Clichy“, 1990) mit Emmanuelle Bèart, „Madame Bovary“ (1991), „Betty“ (1992) mit Marie Trintignant und „La cérémonie“ („Biester“, 1995) mit Sandrine Bonnaire und Jacqueline Bisset. Zu seinen letzten Werken zählen „Au cœur du mensonge“ („Die Farbe der Lüge“, 1999) mit Sandrine Bonnaire, „L’Ivresse du pouvoir“ („Geheime Staatsaffären“, 2006) mit Isabelle Huppert und „La Fille coupée en deux“ („Die zweigeteilte Frau“, 2007) mit Ludivine Sagnier.
Der bekennende Kommunist, Gourmet und Workaholic Claude Chabrol, der sich selbst einen „überzeugten Feministen“ nennt, gilt als Regisseur der Frauen – er dreht im Laufe seiner langen Karriere mit den größten Schauspielerinnen Frankreichs. In einem Interview sagt er: „Filmen ist für mich wie eine Droge, ohne die ich nicht leben kann. Was sollte ich denn auch sonst treiben“.
2000 ist Claude Chabrol Jury-Mitglied bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig. Ein großer Verehrer und Kritiker des Regisseurs ist der deutsche Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, der dessen Filme 1975 in einem Essay analysiert. 2009 wird Claude Chabrol auf der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
Aus der ersten Ehe Claude Chabrols mit Agnès Goute stammt sein Sohn Matthieu, der als Musiker und Komponist die Filmmusik für viele seiner Filme komponiert. In zweiter Ehe ist Claude Chabrol von 1964 bis 1980 mit der Schauspielerin Stéphane Audran verheiratet – der gemeinsame Sohn ist der Schauspieler Thomas Chabrol, der auch in einigen Filmen seines Vaters mitspielt. Von 1983 bis zu seinem Tod ist Claude Chabrol mit seiner dritten Frau Aurore Pajot verheiratet.
Claude Chabrol stirbt am 12. September 2010 in Paris.