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Rainer Werner Fassbinder

Als Enfant terrible der Leinwand mischt er die betuliche deutsche Filmlandschaft der siebziger Jahre gehörig auf – Rainer Werner Fassbinders verstörende Filmwerke entstehen mit geringsten Mitteln oft in nur wenigen Tagen und können manchem Hollywood-Epos durchaus das Wasser reichen

Rainer Werner Fassbinder wird am 31. Mai 1945 in Bad Wörishofen im Allgäu geboren und wächst in München als einziges Kind des Arztes Helmut Fassbinder und der Übersetzerin Liselotte Fassbinder auf. Nach der Scheidung der Eltern bleibt er bei der Mutter und besucht verschiedene Gymnasien in Augsburg und München – sein Abitur macht er nicht.

Von 1961 bis 1963 lebt Rainer Werner Fassbinder in Köln, danach nimmt er am Fridl Leonhard Studio in München Schauspielunterricht. Hier lernt Hanna Schygulla kennen, die als weiblicher Star zu seinem späteren Team gehört. 1966 bewirbt er sich vergeblich um eine Aufnahme an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – für seinen Film „Nur eine Scheibe Brot. Dialog über einen Auschwitzfilm“ erhält er den dritten Preis bei einem Dramenwettbewerb der Jungen Akademie München. 1967 gibt er mit den Kurzfilmen „This Night“, „Der Stadtstreicher“ und „Das kleine Chaos“ sein Debüt als Regisseur, Autor und Darsteller und im selben Jahr gründet er zusammen mit Hanna Schygulla, Peer Raben und Kurt Raab die freie Theatergruppe „antitheater“.

Rainer Werner Fassbinders erster Spielfilm „Liebe ist kälter als der Tod“ wird auf der Berlinale 1969 noch sehr reserviert aufgenommen, erst mit der Verfilmung seines Theaterstücks „Katzelmacher“ (1969) – wofür er unter anderem den „Bundesfilmpreis“ erhält – gelingt ihm im gleichen Jahr der künstlerische Durchbruch. Danach folgen Filme wie „Götter der Pest“ (1969), „Warum läuft Herr R. Amok?“ (1970), „Händler der vier Jahreszeiten“ (1971), „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ (1972), „Welt am Draht“ (1973) und „Martha“ (1973). Die schwarzweiße Literaturverfilmung „Fontane Effi Briest“ (1972) wird einer seiner größten Publikumserfolge.

Zu den bekanntesten Werken von Rainer Werner Fassbinder zählen das eindringliche Melodram „Angst essen Seele auf“ (1973), in welchem der ehemalige UFA-Star Brigitte Mira zur Hochform aufläuft. Nach „Faustrecht der Freiheit“ (1974) und „Mutter Küsters‘ Fahrt zum Himmel“ (1975) eröffnet Rainer Werner Fassbinders mit „Die Ehe der Maria Braun“ (1978) eine Trilogie, in der Frauen im Zentrum stehen – Maria Braun, die sich im Nachkriegsdeutschland emanzipiert, „Lola“ (1981) über eine Kleinstadt-Prostituierte in den fünfziger Jahren und „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1981) über eine morphiumsüchtige Schauspielerin – angelehnt an die Biografie des ehemaligen UFA-Stars Sybille Schmitz. Frei nach dem Leben der Lale Andersen beendet der Regisseur mit „Lili Marleen“ (1980) die BRD-Trilogie.

Rainer Werner Fassbinder ebnet zahlreichen deutschen Schauspielern den Weg in eine große Karriere. Neben seinen Musen Hanna Schygulla, Irm Hermann und Ingrid Caven – mit welcher er einige Jahre verheiratet ist – setzt er in seinen Filmen spätere Fernseh- und Filmstars wie Brigitte Mira, Elisabeth Volkmann, Helen Vita, Karlheinz Böhm, Margit Carstensen, Kurt Raab, Günther Kaufmann, Eva Mattes, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Helga Feddersen, Mario Adorf, Gottfried John, Gisela Uhlen, Karl-Heinz von Hassel, Hark Bohm, Armin Mueller-Stahl, Karin Baal, Barbara Sukowa und Rosel Zech ein. Auch übernimmt er selber diverse Nebenrollen. Während Rainer Werner Fassbinder in seinen frühen Werken nicht davor zurückschreckt, diverse Kurzzeit-Liebhaber und sogar seine eigene Mutter für Rollen zu verpflichten, arbeitet er in seinen späten Filmen auch mit renommierten ausländischen Schauspielern wie Jeanne Moreau, Franco Nero, Mel Ferrer, Annemarie Düringer, Dirk Bogarde und Eddie Constantine zusammen.

1980 verfilmt Rainer Werner Fassbinder für das Deutsche Fernsehen Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ als dreizehnteilige Serie. Die Uraufführung seines letzten Films – dem radikalen Schwulen-Drama „Querelle“ (1982) nach einem Roman von Jean Genet mit Jeanne Moreau, Franco Nero und Brad Davis in den Hauptrollen – kann der Regisseur nicht mehr erleben. Rainer Werner Fassbinder – der einmal sagt „schlafen kann ich, wenn ich tot bin“ – stirbt am 10. Juni 1982 an Herzversagen. Jahrelanger Drogenkonsum, ein enormes Arbeitspensum und der Raubbau am eigenen Körper haben ihr Opfer gefordert.

Rainer Werner Fassbinders Werk ist von der unmittelbaren Betroffenheit durch Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, das alle Abweichungen von der Norm und jeglichen Zweifel aus der Vorstellungswelt des deutschen Volkes verbannen will, und dessen Folgen geprägt. Um gegen das Vergessen und die allgemein verordnete Amnesie anzugehen, stellt der Regisseur stets die deutsche Gesellschaft in den Mittelpunkt. Sein Blick auf Homosexualität, freie Liebe und Grenzverhalten vervollständigt sein Gesamtwerk.