Sie ist die große alte Dame der deutschen Sprechbühne und wirkt nach dem Krieg entscheidend am Wiederaufbau des bundesdeutschen Theaterlebens mit. Ida Ehre ist das Leben stets wichtiger als Kunst und Karriere, unter den schwierigsten Umständen schafft sie Außergewöhnliches – als unermüdliche Mahnerin und mutige Bekennerin warnt sie immer wieder vor dem leichtfertigen Umgang mit der Geschichte
Ida Ehre wird am 9. Juli 1900 als zweitjüngstes Kind eines Oberkantors im mährischen Prerau geboren und wächst mit ihrer verwitweten Mutter sowie ihren fünf Geschwistern in Wien auf. In der österreichischen Hauptstadt erhält sie als junges Mädchen Schauspielunterricht und besucht die dortige Akademie für Musik und Darstellende Kunst.
Mit achtzehn Jahren gibt Ida Ehre im schlesischen Bielitz ihr Bühnendebüt – Engagements in Budapest, Cottbus, Bonn, Königsberg, Stuttgart und Mannheim folgen. 1930 kommt sie nach Berlin und spielt am dortigen Lessing-Theater. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten muss sie vorerst ihre Theaterkarriere unterbrechen, da sie 1933 als Jüdin mit einem Berufsverbot belegt wird.
In den folgenden Jahren arbeitet sie in der Praxis ihres „arischen“ Ehemanns – des Gynäkologen Dr. Bernhard Heyde – im schwäbischen Böblingen als Arzthelferin. Nach der Reichspogromnacht 1938 plant die Familie 1939 die Auswanderung nach Chile, die allerdings fehlschlägt, da das Schiff wegen des Beginns des Zweiten Weltkriegs wieder nach Hamburg zurückbeordert wird. Ida Ehre wird mit ihrer Tochter im Frauenlager Fuhlsbüttel interniert und überlebt nur dank der „privilegierten Mischehe“ – ihr Mann lässt sich trotz großen Druckes nicht von ihr scheiden, als „Deutschnationaler“ will er jedoch nach 1934 keine sexuellen Beziehungen mehr mit seiner Frau. Er hat jahrelang eine Freundin, und auch Ida Ehre lernt bald einen anderen Mann kennen und lieben. Siebzehn Jahre leben alle drei in einer gemeinsamen Wohnung in Hamburg.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eröffnet Ida Ehre 1945 die Hamburger Kammerspiele im Hamburger Grindelviertel – in einem Theatergebäude, das bis zu seiner „Zwangs-Arisierung“ 1941 vom „Jüdischen Kulturbund“ genutzt wird. Bis zu ihrem Tod ist sie dort als Intendantin, Regisseurin und Schauspielerin tätig. Vor allem mit Werken emigrierter Autoren und junger Schriftsteller werden die Hamburger Kammerspiele unter ihrer Leitung schnell zu Hamburgs wichtigstem Nachkriegstheater. Dramen wie das 1947 uraufgeführte „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert gehören ebenso zum Spielplan wie klassische oder heitere, moderne Stücke – sie stellt dem deutschen Publikum erstmals Stücke von Anouilh, Eliot, Giraudoux, Sartre oder Wilder vor und trägt damit wesentlich zum kulturellen Wiedererwachen der Hansestadt bei.
Ida Ehre wirkt auch auf zahlreichen anderen deutschen Bühnen – zu ihren großen Rollen gehören Brechts „Mutter Courage“ oder die „Hekuba“ in den „Troerinnen“ von Euripides. 1983 beeindruckt sie als Irrenärztin in Dürrenmatts „Die Physiker“ sowie als Shaws’sche „Frau Warren“. Noch im Alter von achtzig Jahren steht sie als „Sarah Bernard“ im gleichnamigen Stück auf der Bühne. Ihr fünfundsechzigstes Bühnenjubiläum feiert Ida Ehre als alte Dame in Colettes „Gigi“, 1987 sieht man sie in der Umweltkomödie „Lasst mir meine Bäume stehen“.
Auch auf der Leinwand kann man Ida Ehre hin und wieder sehen – unter anderem in „In jenen Tagen“ (1947), „Der Banjosträfling“ (1949) und „Die Toten Augen von London“ (1961). Fürs Fernsehen spielt sie in „Tevya und seine Töchter“ (1962), „Der Unbestechliche“ (1968), „Tartuffe oder Der Betrüger“ (1969), „Der rote Schal“ (1973), „Alberta und Alice“ (1981) und „Bei Thea“ (1988) an der Seite von Marianne Hoppe
Für ihr Engagement verleihen die Mitglieder der Hamburger Volksbühne Ida Ehre 1970 den Ehrenpreis „Silberne Maske“, auch erhält sie die „Medaille für Kunst und Wissenschaft“ der Hansestadt Hamburg. 1971 wird sie mit dem „Schillerpreis“ der Stadt Mannheim geehrt und 1975 wird ihr der Titel Professor durch den Senat der Stadt Hamburg verliehen. 1983 erhält Ida Ehre das große „Bundesverdienstkreuz“ und 1984 wird sie als erste Frau Ehrenbürgerin der Hansestadt Hamburg. Im selben Jahr erhält sie das „Silberne Blatt“ der „Dramatiker Union“. Zu ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag gründet die Hamburger „Körber-Stiftung“ ein jährliches „Ida-Ehre-Stipendium“ für Bühnenautoren.
Die Theaterprinzipalin, Regisseurin und Schauspielerin Ida Ehre stirbt am 16. Februar 1989 kurz vor ihrem neunundachtzigsten Geburtstag in Hamburg. Sie wird auf dem Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf in einem Ehrengrab beigesetzt.
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt schreibt anlässlich ihres Todes in einer Hamburger Zeitung: „Mit ganz einmaliger, unglaublicher Kraft hat sie in den von ihr geschaffenen Kammerspielen ein Theater gemacht, wie wir Hamburger es noch niemals vorher erlebt hatten. Denn sie öffnete uns den Blick auf die geistige Landschaft der Welt: Wilder, Anouilh, Sartre, Giraudoux, Gogol, Frisch und viele andere – keinem Künstler schulden wir Hamburger mehr als Ida Ehre.“
Nach dem Tod von Ida Ehre werden zahlreiche deutsche Schulen, Plätze und Straßen nach ihr benannt.