Sie singt von den großen Vögeln, die die Seelen der Matrosen bewahren, von einsamen Hotelzimmern und vom Anschlag auf das Weiße Haus. Mit Chansons von Hans Magnus Enzensberger, Peer Raben, Wolf Wondraschek und Rainer Werner Fassbinder reflektiert Ingrid Caven gekonnt die bundesdeutsche Wirklichkeit und gilt seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als einsamer Star des „Chanson allemand“
Ingrid Caven wird als Tochter eines Zigarettenhändlers am 3. August 1938 in Saarbrücken geboren und wächst in einem musikalischen Elternhaus auf – ihre Schwester ist die Mezzosopranistin Trudeliese Schmidt. Sie studiert Psychologie und Pädagogik und arbeitet danach als Lehrerin. 1967 wird Ingrid Caven vom Regisseur Rainer Werner Fassbinder in einem Münchner Varieté bei einer Aufführung eines Stückes von Peer Raben entdeckt, danach steht sie in zahlreichen seiner Filme hauptsächlich in Nebenrollen vor der Kamera.
Ingrid Caven spielt in knapp fünfzig Spiel- und Fernsehfilmen mit – darunter „Schatten der Engel“ (1976) nach dem heftig umstrittenen Bühnenstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder. 1970 erhält sie gemeinsam mit dem weiblichen Ensemble des „Antiteaters“ um Hanna Schygulla und Irm Hermann den „Bundesfilmpreis“ als „Beste Hauptdarstellerin“. Elf Jahre später wird sie für ihr Porträt einer alten und gedemütigten Schaustellerin in Walter Bockmayers und Rolf Bührmanns Drama „Looping“ (1981) erneut mit dem „Filmband in Gold“ ausgezeichnet.
1975 stellt sich Ingrid Caven im Fassbinder-Film „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“ als Chansonsängerin vor – mit ihrer tiefen Stimme feiert die Diva vor allem in Frankreich – wo sie gelegentlich als eine Mischung aus Édith Piaf und Marlene Dietrich beschrieben wird – in den siebziger Jahren unter anderem mit Arnold Schönberg-Interpretationen große Bühnenerfolge. Es folgen Tourneen durch Deutschland und Italien – 1987 gibt sie eine Gala anlässlich des Festivals La Chanson De La Langue Française im Berliner Zoo-Palast. Im neuen Jahrhundert erlebt die Chanteuse dann eine überraschende Renaissance.
Ingrid Caven sagt: „Mich hat es nicht wirklich interessiert, Filmschauspielerin zu sein. Das Warten zwischen den Szenen war mir immer zu langweilig.“ Trotzdem hat sie es im vergangenen Jahr noch einmal gewagt. Sie spielt in dem Film „Deep Frozen“ mit Peter Lohmeyer. Es ist ihr erster Film seit 1999. Und dann noch in einer komischen Rolle: als von Macht und Männern besessene Ex-Stewardess mit Muttersöhnchen. „Zuerst wollte ich gar nicht“, sagt sie und gibt eine erstaunlich ehrliche Begründung: „Weil ich immer noch nicht geliftet bin.“ Glücklicherweise lässt der Filmregisseur Andy Bausch genauso wenig locker wie der Komponist Oscar Strasnoy und der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger. Die letzteren beiden schreiben gerade eine Oper für sie. Es geht um ein junges Mädchen, das in einer Industriegegend aufwächst, kränklich ist, eigentlich immer von Männern umgeben. Mal als Liebhaber, mal als Mentor, mal als Mitarbeiter. Klingt bekannt. „Ich kann ja nichts dafür“, sagt Ingrid Caven. Und setzt fast entschuldigend nach, ihr Leben sei gar nicht so besonders: „Jedes Leben ist einen Roman wert. Es kommt darauf an, was daraus stilistisch gemacht wird, wenn es Kunst werden soll.“
Ingrid Caven lebt in Paris.