Übertriebene Höflichkeitsfloskeln sind ihr fremd und man kann sie während ihrer Amtszeit schon mal auf dem Fahrrad in Amsterdam antreffen – was ihr auch den Namen „radelnde Monarchin“ einbringt. Wegen ihrer großen Volksnähe erfreut sich Königin Juliana der Niederlande länger als drei Dekaden lang als Mutter der Nation enormer Beliebtheit
Juliana Louise Emma Marie Wilhelmina – Prinzessin von Oranien-Nassau und Herzogin zu Mecklenburg – wird am 30. April 1909 im niederländischen Den Haag als einziges Kind von Königin Wilhelmina der Niederlande und Herzog Heinrich zu Mecklenburg geboren. Sie wächst behütet auf, wird von ihren Eltern „Prinzessin Sonnenschein“ genannt und verbringt ihre Kindheit in den königlichen Palästen Het Loo in Apeldoorn und Huis ten Bosch in Den Haag, wo sie Privatunterricht erhält.
Gegen den anfänglichen Widerstand ihrer Mutter studiert Prinzessin Juliana von 1927 bis 1930 an der Universität in Leiden Soziologie, Jura, Ökonomie, Religionsgeschichte, Parlamentsgeschichte und Verfassungsrecht sowie die Kultur der damals noch niederländischen Kolonie Surinam, auch erhält sie Privatunterricht zum Islam.
1937 heiratet Prinzessin Juliana den aus Deutschland stammenden Bernhard zu Lippe-Biesterfeld, den sie 1936 bei den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen kennenlernt. Die Hochzeit stößt im angespannten politischen Klima jener Jahre wegen der zunehmenden Bedrohung Europas durch Nazi-Deutschland auf wenig Begeisterung. Zusammen haben sie vier Töchter – Beatrix, Irene, Margriet und Christina. Die Ehe verläuft nicht nur harmonisch, dem Gatten werden mindestens drei uneheliche Kinder nachgesagt.
Während des Zweiten Weltkrieges und dem deutschen Überfall auf die Niederlande wird Prinzessin Juliana ins kanadische Ottawa evakuiert, Prinz Bernhard macht währenddessen Karriere bei der britischen Royal Air Force und wird 1944 Oberbefehlshaber der niederländischen Streitkräfte. In der Zeit ihres Exils wird Prinzessin Juliana zur Bewunderin des amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und seinem Ideal der vier Freiheiten: Freiheit der Meinung, der Religion und Freiheit von Angst und Not. Nach Kriegsende 1945 kehrt Juliana mit ihrer Familie in die Niederlande zurück.
1948 gibt Prinzessin Julianas Mutter Königin Wilhelmina nach fünfzigjähriger Regierungszeit den Thron der Niederlande an ihre Tochter weiter – in den folgenden Jahren verabschiedet sich Königin Juliana von altmodischen Umgangsformen und erfreut die Niederländer mit ihrem humanistischen Weltbild und der menschlichen Seite des Königshauses. Als „radelnde Monarchin“ erledigt sie ihre Einkäufe selbst und schickt ihre Töchter auf staatliche Schulen, auch verzichtet sie auf die Anrede „Majesteit“ – stattdessen lässt sie sich mit „Mevrouw“ anreden. Von 1949 bis 2012 wird am 30. April – Königin Julianas Geburtstag – der „Koninginnedag“ begangen. Anders als ihre Mutter sucht Juliana stets die Öffentlichkeit und nimmt am „Koninginnedag“ alljählich auf Palais Soestdijk eine „Blumenhuldigung“ entgegen, die im Fernsehen übertragen wird.
1949 entlässt Königin Juliana nach vierhundert Jahren niederländischer Kolonialherrschaft Indonesien in die Unabhängigkeit, theoretisch bleibt sie noch bis 1954 Oberhaupt der Niederländisch-Indonesischen Union. In der Nachkriegszeit verhindert sie, dass an Kollaborateuren Todesurteile vollstreckt werden. 1949 geben die Niederlande ihre traditionelle Neutralität auf und treten der NATO bei – bei einem Besuch in den USA 1952 setzt Königin Juliana in einer Rede pazifistische Akzente, die schlecht zur NATO-Mitgliedschaft des Landes passen und die niederländische Regierung in Erklärungsnot bringen. 1953 hält sie anlässlich der verheerenden Sturmflut an der niederländischen Nordseeküste („Ramp“) Ermutigungsreden.
In den fünfziger Jahren gerät Königin Juliana aufgrund des Einflusses, den die selbsternannte Heilerin Greet Hofmans auf sie ausübt, zunehmend in die Kritik. Greet Hofmans verspricht der Monarchin, deren sehbehinderte Tochter Prinzessin Marijke zu heilen und bezieht sogar ein Zimmer auf Palais Soestdijk. Da sich bei der Prinzessin keine gesundheitlichen Erfolge einstellen und der Einfluss von Greet Hofmans auf die Königin immer größer wird, kommt es kurzzeitig zum Zerwürfnis zwischen Königin Juliana und Prinz Bernhard – in jenen Jahren ist der Bestand der Monarchie ernsthaft gefährdet.
1980 gibt Königin Juliana die Krone an ihre älteste Tochter Beatrix von Oranien-Nassau weiter und nennt sich fortan wieder „Prinzessin“. Sie widmet sich ihren Töchtern und Enkelkindern, nimmt bis ins hohe Alter Repräsentationspflichten wahr und setzt sich für soziale Belange ein – zu Beginn des neuen Jahrhunderts zieht sie sich wegen einer Alzheimer-Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurück. Ihren letzten öffentlichen Auftritt hat sie 1998 bei der Hochzeit ihres Enkels Prinz Maurits.
Königin Juliana stirbt am 20. März 2004 auf Schloss Soestdijk nach längerer Krankheit mit vierundneunzig Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Sie wird mit einem Staatsbegräbnis geehrt und in der königlichen Grabstätte der Nieuwe Kerk in Delft beigesetzt – Lobreden auf ihre Person verbittet sie sich bereits zu Lebzeiten.
Der damalige niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende sagt zum Tod der ehemaligen Königin: „Königin Juliana liebte die Menschen. Sie zog Spontanität dem Protokoll vor und Ehrlichkeit der Förmlichkeit. In allem was sie tat, blieb sie immer die Königin, die ihre Pflicht und ihre Mission äußerst ernst nahm. Königin Juliana war eine warmherzige, weise Frau, die ihr Leben dem Dienst für andere widmete. Wir gedenken ihrer mit Liebe und Dankbarkeit“.