Mit Schlagern über Seefahrtromantik, Hafenszenen und die Sehnsucht der Matrosen erobert sie in der Mitte des letzen Jahrhunderts ein Millionenpublikum, als kühle Blonde aus dem Norden singt sie vom Fernweh und vom Abschied nehmen und wird über Nacht mit dem Lied „Lili Marleen“ weltberühmt – Lale Andersen ist einer der wenigen deutschen Weltstars und bis heute unvergessen
Lale Andersen/Foto: By Adrian Michael (Privataufnahme von Artur Beul)
Lale Andersen wird am 23. März 1905 in Lehe – das heute zu Bremerhaven gehört – als Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg geboren. Die Tochter eines Schiffsstewards heiratet schon mit siebzehn Jahren den Maler Paul Ernst Wilke – nach der Geburt der Kinder Björn, Carmen-Litta und Michael beginnt sie Schauspiel- und Gesangsunterricht zu nehmen. Um den Schritt auf die Bühne zu wagen, geht Lale Andersen 1931 nach Berlin – die Söhne werden von ihrer Mutter erzogen, um Tochter Litta kümmerte sich ihre ältere Schwester Thekla. Zwar beabsichtigt die ambitionierte junge Frau, ihre Kinder nachzuholen, doch sie wachsen dann bei Verwandten und in Heimen auf.
Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann tritt Lale Andersen noch als Liselott Wilke erstmals am Deutschen Künstlertheater in Berlin auf, Engagements an verschiedenen Berliner Bühnen schließen sich an. 1933 erhält sie ein Engagement am Schauspielhaus Zürich, wo sie den Schweizer Komponisten und späteren Intendanten Rolf Liebermann kennen und lieben lernt. Dann folgen Engagements unter anderem an den Münchner Kammerspielen und im Berliner Kabarett der Komiker, wo sie bis 1942 als Chansonsängerin auftritt.
1937 lernt Lale Andersen in Heidelberg den Pianisten und Kapellmeister Carl Friedrich Pasche kennen, der ihr Klavierbegleiter auf allen Tourneen und bei allen Schallplattenaufnahmen wird.
1939 nimmt Lale Andersen das von Hans Leip bereits 1915 getextete und von Norbert Schultze vertonte Lied „Lili Marleen“ auf. Im Zweiten Weltkrieg wird das Lied über den „Soldatensender Belgrad“ europaweit verbreitet und auf beiden Seiten der Fronten gehört, später jedoch vom deutschen NS-Regime wegen des „morbiden und depressiven“ Textes sowie seiner „wehrkraftzersetzenden Wirkung“ vorübergehend verboten. Lale Andersen erhält für „Lili Marleen“ die erste „Goldene Schallplatte“, die je in Deutschland vergeben wird. Die Sängerin wird von dem Erfolg des Liedes völlig überrascht – es passt mit seinem Text eigentlich nicht zu der in jener Zeit üblichen Durchhalte- und Kriegspropaganda, doch selbst Nazi-Propagandachef Joseph Goebbels schafft es nicht, „Lili Marleen“ aus dem Rundfunkprogramm zu verbannen. Goebbels nennt das Lied damals das „Lied mit dem Totentanzgeruch“, da es die Soldaten nicht zum kämpfen ansporne, sondern nur heimwehkrank mache, und untersagt der Künstlerin unter Androhung der Ausweisung das Lied weiter zu singen. Lale Andersen selbst wird mit einem Auftrittsverbot belegt, das Goebbels jedoch 1943 aufgrund der enormen Popularität der Sängerin nach neun Monaten wieder aufhebt. Allerdings erhält Lale Andersen eine Reihe von Auflagen, „Lili Marleen“ darf sie weiterhin nicht singen und es wird ihr nur gestattet, bei privaten Veranstaltern aufzutreten. Für die amerikanischen Soldaten wird das Lied in der englischen Version ab 1944 von Marlene Dietrich gesungen und der Evergreen wird bis heute in achtundvierzig Sprachen übersetzt – Lilli Marleen wird zu Lale Andersens Schicksalslied und zu ihrem Alter Ego.
Nachdem sich Lale Andersen einer Konzert-Reise ins Warschauer Ghetto widersetzt und ihre privaten Briefe an Emigranten in der Schweiz bekannt werden, zieht sich die in Ungnade gefallene Sängerin mit ihrem jüngsten Sohn bis zum Kriegsende auf die ostfriesische Nordseeinsel Langeoog zurück.
1949 heiratet Lale Andersen den Schweizer Lied-Komponisten Artur Beul und bleibt bis zu ihrem Tod mit ihm verbunden. Er schreibt für sie rund zwanzig Lieder, darunter „He, hast du Feuer, Seemann?“, „Lieselott aus Bremerhaven“, „Die Fischer von Langeoog“ und „Mit zwei Augen wie den deinen“. Als Interpretin von Chansons und Seemannsliedern geht Lale Andersen nach dem Krieg auf große internationale Tourneen.
1960 nimmt Lale Andersen die deutsche Version von „Never On Sunday“ („Sonntags nie“) auf, die Titelmelodie aus dem gleichnamigen Film mit Melina Mercouri – „Ein Schiff wird kommen“ wird über Nacht zum Kassenschlager. Ein Jahr später vertritt die Sängerin Deutschland beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Cannes mit dem deutsch-französisch gesungenen Lied „Einmal sehen wir uns wieder“, das jedoch nur den dreizehnten Platz erringen kann.
Bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts ist Lale Andersen mit ihren Liedern ein gern gesehener Gast im deutschen Fernsehen – so kann man sie sechsmal in der beliebten Sendung „Haifischbar“ sehen. Mit Aufnahmen wie „Unter der roten Laterne von St. Pauli“ oder „Blaue Nacht am Hafen“ erhält die Sängerin etliche „Goldene Schallplatten“. Titel wie „Blaues Meer“ (1961), „In Hamburg sind die Nächte lang“ (1964) oder „Der Rummelplatz am Hafen“ (1963) werden millionenfach verkauft, auch wendet sie sich verstärkt dem plattdeutschen Volkslied zu.
Weil ihre Fassung von „Lili Marleen“ Lale Andersens erste deutsche Schallplatte ist, die im Verkauf die Millionengrenze überschreitet, und sie zudem die beste Fassung von „Ein Schiff wird kommen“ („Les enfants du Pirée“/“Never on Sunday“) singt sowie vom amerikanischen Nachrichtenmagazin Time in die Liste der „Berühmtesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen wird, darf Lale Andersen als einer der wenigen deutschen Weltstars bezeichnet werden.
Dass sie an einer unheilbaren Leberinfektion leidet, verdrängt Lale Andersen lange, immer öfter braucht sie Blutkonserven, um am Leben zu bleiben. Sie schreibt ihre Lebensgeschichte auf und es gelingt ihr noch, ihren autobiographischen Roman „Das Leben hat viele Farben“ in ihrer Geburtsstadt Bremerhaven vorzustellen – am 29. August 1972 stirbt Lale Andersen in Wien auf einer Lesereise. Sie wird auf dem Dünenfriedhof der ostfriesischen Insel Langeoog beigesetzt.
1980 dreht Rainer Werner Fassbinder den Film „Lili Marleen“ mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle – der Film beruht auf der Autobiografie von Lale Andersen.
In Bremerhaven steht zur Erinnerung an Lale Andersen eine gusseiserne Laterne und zu ihrem hundertsten Geburtstag am 23. März 2005 wird ihr zu Ehren auf Langeoog eine Bronzestatue enthüllt.