Bekannt wird die “Königin der Reeperbahn” nicht nur durch ihren Job, sondern durch ihren Einsatz für die Anerkennung und Legalisierung des Berufsstands der Prostituierten in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Nach ihrem Ausstieg aus dem Gewerbe tingelt Domenica Niehoff durch bundesdeutsche Talkshows und engagiert sich in Hamburger Problemvierteln für Drogenabhängige und minderjährige Prostituierte
Domenica Anita Niehoff kommt am 3. August 1945 in Köln zur Welt. Nach der Trennung der Mutter vom gewalttätigen Ehemann wächst Domenica Niehoff zehn Jahre lang mit ihrem Bruder Amando in einem katholischen Waisenhaus auf. Nach einer Ausbildung zur Buchhalterin lernt sie mit siebzehn Jahren einen Bordellbesitzer kennen und heiratet ihn. Zehn Jahre später erschießt dieser sich vor ihren Augen mit einer Pistole – im selben Jahr beginnt sie, im Hamburger Vergnügungs- und Rotlichtviertel St. Pauli im Großbordell “Palais d’Amour” und in der Herbertstraße als Prostituierte zu arbeiten. Später betreibt sie ein eigenes Studio und wird als Domina weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Durch ihre enorme Oberweite fällt sie auf – zu ihr wollen die Männer, die ungewöhnliche sexuelle Praktiken begehren – Domenica Niehoff avanciert zur festen Größe auf dem Hamburger Kiez.
1991 nimmt Domenica Niehoff den von Franziska Menke komponierten Song “Alle meine Freier” auf und 1994 veröffentlicht ihre Autobiografie “Körper mit Seele – Mein Leben”. Zum Besuch von Papst Johannes Paul II. in Berlin 1996 spricht Domenica Niehoff in einem papstähnlichen Gewand bei einer Demonstration den Transvestiten Charlotte von Mahlsdorf “heilig”, was empörte konservative Politiker von der CSU veranlasst, im Bundestag einen Gesetzentwurf gegen die Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses einzubringen – dieser wird jedoch von den übrigen Parteien abgelehnt.
Mit Beginn der achtziger Jahre ist es schick sich mit Domenica Niehoff zu zeigen und die bundesdeutsche Prominenz macht regen Gebrauch davon – Tomi Ungerer, Horst Janssen und das Ehepaar von Thurn und Taxis pflegen den freundschaftlichen Kontakt zu ihr – auch avanciert die Edelhure zum begehrten Talkshow-Gast im Deutschen Fernsehen. 1983 posiert sie für das Cover der Single “Bum Bum” der Popgruppe Trio. Zunächst soll das Foto aus Gründen des Jugendschutzes verboten werden, darf dann aber doch für das Cover der Single verwendet werden – sie spielt auch im gleichnamigen Musikvideo der Band mit. 1985 erobert Domenica Niehoff die Kunst und wirkt bei einer Performance in der “Hamburger Kunsthalle” zu Ehren des Künstlers Henri de Toulouse-Lautrec mit. Auch im Theater ist Domenica Niehoff zu sehen – als Frau des Senators mit Jean-Pierre Cornu in einer Szene von “Straglers Woche – Eine St. Pauli Saga” am “Deutschen Schauspielhaus” in Hamburg. Der Schriftsteller Wolf Wondratschek widmet ihr Gedichte, sie sei “eine Hure bis hinein in ihr großes träges Herz und bis in die Beine eine Frau – wenn sie mit dem Hintern wackelt, fließen die Flüsse bergauf”. Sie tritt in mehreren Filmen auf, wie in “Messalina – Kaiserin und Hure” (1980), “Taxi nach Kairo” (1987) und “Fernes Land Pa-isch” (1994). 1993 dreht der Regisseur Peter Kern einen dokumentarischen Spielfilm über ihr Leben.
Im Alter von fünfundvierzig Jahren steigt Domenica Niehoff aus dem Gewerbe aus, eröffnet eine Kneipe am Fischmarkt und engagiert sich als Streetworkerin. Drogen, Kinderprostitution, quälende Aussteigerversuche – sie denkt ungern daran zurück. “Ich hab’ so viele sterben sehen”, sagt sie und beendet zehn Jahre später diese Tätigkeit.
Domenica Niehoff schafft es mit großer Beharrlichkeit, dass Prostitution in Deutschland kein Tabu-Thema mehr ist. “Ich habe erreicht, dass mehr über Prostitution geredet wird. Dass nicht mehr so darüber getuschelt wird.” sagt sie – nur die Zuhälter auf dem Kiez distanzieren sich von der selbstbewussten Frau, weil sie sich zunehmend für die Rechte ihrer Kolleginnen einsetzt.
Zuletzt lebt Domenica Niehoff nach einem Kurzaufenthalt in der Eiffel – wo sie ein Haus erbt – auf St.Pauli in einer Etagenwohnung eines Mehrfamilienhauses. Sie kocht und lädt Freunde ein und möchte weiterhin für junge Prostituierte da sein um diese bei ihrem Ausstieg aus dem Milieu zu unterstützen.
“Ich hatte alles. Alle Schichten. Sie waren winselnd, bettelnd, fordernd, gemein. Brav, lieb, reich, arm, jung, alt. Ich weiß gar nicht, was mir noch fehlte” sagt sie 2008 in ihrem letzten großen Interview.
Domenica Niehoff stirbt am 12. Februar 2009 mit dreiundsechzig Jahren in Hamburg an den Folgen eines Lungenleidens. Freunde, Bekannte und frühere Kollegen nehmen mit einem Trauerumzug durch den Hamburger Stadtteil St.Pauli Abschied von der Kiezlegende. Domenica Niehoff wird auf dem Hamburger “Hauptfriedhof Ohlsdorf” im “Garten der Frauen” beigesetzt.