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Leila Negra

Als dunkelhäutige Film-Statistin in nationalsozialistischen Durchhaltefilmen ist Leila Negra in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts sehr gefragt – nach dem Krieg singt sie mit samtiger Stimme Lieder wie „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist“ und „Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere“ und steht mit Stars wie Lale Andersen, Peter Alexander und Cornelia Froboess auf der Showbühne

Leila Negra wird als Marie Nejar am 20. März 1930 in Mülheim an der Ruhr geboren. Sie ist die Tochter der Musikerin Cécilie Nejar und eines ghanaischen Kapitänsstewards. Ihre Großmutter – die aus gutbürgerlichem Hause stammt – wird von ihrer Familie verstoßen, nachdem sie mit einem Kreolen aus Martinique eine Tochter erwartet. Bei ihr wächst Marie im Hamburger Stadtteil St. Pauli in der Zeit des Nationalsozialismus auf. Damals ist das Kind wegen seiner dunklen Hautfarbe Verfolgung und Anfeindungen offen ausgesetzt – dennoch liegt das Augenmerk der Nationalsozialisten bei den Juden und Regimekritikern, und auch dem weltoffenen St. Pauli der norddeutschen Hansestadt hat sie es zu verdanken, dass sie vorerst verschont bleibt. Aufgrund der Nürnberger Rassengesetze von 1935 kann sie ihre Schulausbildung nicht beenden und wird zur Zwangsarbeit in einer Fabrik verpflichtet. Mit Hilfe einer liberalen Klassenlehrerin, eines jüdischen Arztes und der Menschlichkeit von Polizisten der Davidwache kann sie die ersten Jahre unbehelligt überleben.

Als Propagandaminister Joseph Goebbels zu Beginn der vierziger Jahre dunkelhäutige Statisten für diverse UFA-Durchhaltefilme sucht, wird auch Leila Negra in die Potsdam-Babelsberger Filmstudios eingeladen und darf als Statistin in einigen Spielfilmproduktionen an der Seite von Hans Albers und Heinz Rühmann mitwirken. „Entschuldigen Sie. Damals war ich ein Kind. Ich fand das toll, und außerdem hatte ich zwei Wochen schulfrei. Mit Unterschrift und auf Anweisung von Herrn Goebbels“ so Leila Negra in einem Interview.

Zu Beginn der fünfziger Jahre arbeitet Leila Negra als Zigarettenverkäuferin in Timmendorfer Strand, wo sie zufällig bei einer Mikrofon-Probe ihre gute Stimme hören lässt – sie singt ein damals populäres Lied von Horst Winter, das die Musiker vom Talent der inzwischen erwachsenen Frau überzeugt. Fortan wird sie unter dem Künstlernamen Leila Negra als Kinderstar vermarktet, der zahlreiche deutsche Schlager veröffentlicht. Als „Negermädchen mit den traurigen Augen“ nimmt sie damit neben anderen Sängern wie Billie Mo und Roberto Blanco in der immer noch fremdenfeindlichen und mit Vorurteilen belasteten jungen Republik die Rolle einer Vorzeigeschwarzen ein. Heute befremdlich klingende Lieder wie „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist“ gehören zu ihren erfolgreichsten Schlagern. „Immer wieder kamen nach meinen Auftritten junge weiße Mütter mit schwarzen Kindern hinter die Bühne, um mir zu erzählen, wie ihr Töchter oder Söhne angefeindet wurden“ erzählt Leila Negra in einem Gespräch.

Ihre kurze Laufbahn im Rampenlicht beendet Leila Negra – nach fünf Unterhaltungsfilmen und rund dreißig Schlagern – bereits 1957 um sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen. Dass sie einmal ein Star war, davon will sie nichts wissen – noch heute versucht Leila Negra den Leuten klar zu machen, dass sie schwarz und deutsch ist. 2007 veröffentlicht sie ihre Autobiografie „Mach nicht so traurige Augen, weil du ein Negerlein bist“. Heute lebt Leila Negra als Rentnerin in Hamburg.