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Olivia de Havilland

Im berühmten Filmepos „Vom Winde verweht“ stirbt sie als Südstaaten-Schönheit Melanie einen frühen Tod, in der Realität überlebt sie ihre damaligen Kollegen um Jahrzehnte – Olivia de Havilland verkörpert in den dreißiger Jahren zusammen mit Errol Flynn das Traumpaar der Kinoleinwand, heute ist sie die letzte noch lebende Filmdiva der goldenen Ära Hollywoods

Olivia Mary de Havilland wird am 1. Juli 1916 in Tokio als Tochter eines britischen Patentanwalts und der Schauspielerin Lillian Fontain geboren. Sie ist die ältere Schwester der Schauspielerin Joan Fontaine, die zeitgleich ihre Filmkarriere beginnt. Nachdem sich die Familie in Kalifornien niederlässt, werden die Schwestern schon früh von der ehrgeizigen Mutter für eine Bühnenkarriere ausgebildet.

Während einer Schulaufführung wird Olivia de Havilland von Regisseur Max Reinhardt entdeckt und erhält von Warner Brothers einen Sieben-Jahres-Vertrag, übernimmt 1935 die Rolle der Hermia in der legendären Hollywood-Adaption „A Midsummer Night’s Dream“ und fällt erstmals als Charakterdarstellerin auf. Danach sieht man sie häufig in Abenteuer-Filmen, oft als Partnerin von Errol Flynn. „Sie ist zart wie eine Blume und grazil wie ein Reh“ sagt dieser nach ihrem gemeinsamen Debüt „Unter Piratenflagge“. In acht Filmen bilden Olivia de Havilland und Errol Flynn das Idealpaar der Kinoleinwand.

Ihren größten Erfolg feiert Olivia de Havilland im Jahrhundert-Epos „Gone With The Wind“ („Vom Winde verweht“, 1939) an der Seite von Clark Gable, Vivien Leigh und Hattie McDaniel. Drei Regisseure verschleißt das damals im noch seltenen Technicolor produzierte Werk – Komödien-Spezialist George Cukor, der sich mit dem mächtigen und streitbaren Produzenten David O. Selznick überwirft, Victor Fleming, der den Klassiker „Der Zauberer von Oz“ dreht und am Ende als einziger Regisseur des Films ausgegeben wird und Sam Wood, der für Fleming einspingt, als dieser krank wird. „Als George nicht mehr bei uns war, waren Vivien und ich schockiert“ erinnert sich Olivia de Havilland. Im ständigen Wechsel von Regisseuren sei Produzent Selznick letztlich der Garant für kreative Leistung gewesen. „Es war Davids integrativer Einfluss, der die Dreharbeiten am Ende ermöglicht hat“, lobt die Darstellerin den Hollywood-Mogul. Nur die Arbeit mit Clark Gable sei schwierig gewesen – so habe Gable als Rhett Butler in der Szene nicht weinen wollen, in der er von der Fehlgeburt seiner Frau Scarlett erfährt. „Er dachte, es sei unmännlich. So waren Männer damals konditioniert. Es war so schade, dass sie diese Gefühle unterdrücken mussten“ erklärt Olivia de Havilland. Regisseur Fleming habe damals alles versucht und Clark Gable sogar bei seiner Berufsehre gepackt. „Am Ende gab es einen letzten Versuch“ so de Havilland. „Ich sagte ‚Ich weiß, dass du es kannst und du wirst wunderbar sein‘ – und bevor die Kamera zu laufen begann, konnte man bereits die Tränen in seinen Augen sehen.“

Gefragt, ob sie enttäuscht gewesen sei, dass nicht sie, sondern Hattie McDaniel den „Oscar“ für die beste Nebenrolle in „Vom Winde verweht“ erhalten habe, gibt sich Olivia de Havilland überraschend humorvoll: „Zwei Wochen nach der Verleihung brütete ich immer noch über der Tatsache, dass es Gott nicht geben könnte. Dann dachte ich, es ist wunderbar, dass Hattie den Preis bekommen hat! Eine Welt, in der statt mir eine afroamerikanische Darstellerin einen „Oscar“ bekommen kann, ist mir lieber.“

Trotz vielfältiger Filmangebote bleibt Olivia de Havilland immer der Bühne verbunden und steht in den fünfziger und sechziger Jahren nur sporadisch vor der Kamera. 1951 feiert sie mit „Romeo & Julia“ einen großen Erfolg am Broadway.

1964 spielt Olivia de Havilland im Horrorstreifen „Hush, Hush Sweet Charlotte“ („Wiegenlied für eine Leiche“) von Robert Aldrich neben Bette Davis – mir der sie gut befreundet ist – eine hinterhältige Erbin. In den siebziger und achtziger Jahren sieht man sie auch öfter im Fernsehen – so im Mehrteiler „Roots 2“ (1972), in „Anastasia“ (1986) und zuletzt 1988 im TV-Film „The Woman He Loved“ („König ihres Herzens“).

Ein einziges Mal werden Olivia de Havilland und Joan Fontaine im gleichen Jahr für den „Oscar“ als „Beste Schauspielerin“ nominiert – 1942 Joan Fontaine für „Verdacht“ und Olivia de Havilland für „Das goldene Tor“. Der Preis geht jedoch an Joan Fontaine und die Presse spekuliert heftig, dass es zwischen den beiden Schwestern zu einem Zerwürfnis gekommen sei. So hat Joan Fontaine auf der „Oscar“-Verleihung bei ihrem Weg zum Podium den Versuch Olivia de Havillands, ihr zu gratulieren, abgewehrt. Daß der Preis an Joan Fontaine fällt, die sich mit der Älteren nie gut versteht, hat Konsequenzen für die Traumfabrik. Olivia de Havilland verlangt nun ernstere Rollen als die jungen Dinger, die „Warner Bros.“ ihr zuteilt und schließlich lässt sie es darauf ankommen – sie rebelliert und wird von „Warner Bos.“ bis zum Auslaufen ihres Vertrages suspendiert. Daraufhin verklagt sie – undenkbar für einen Studiostar – ihren Arbeitgeber, zieht bis vor den Obersten Gerichtshof der USA, um gegen die bislang geläufige Praxis der Studios anzugehen, die Zeiten, in denen Schauspieler suspendiert waren, an die normale Vertragslaufzeit anzuhängen. Drei Jahre dreht sie überhaupt nicht – und gewinnt vor Gericht. Dies ist der Anfang vom Ende unumschränkter Studioherrschaft.

1946 beginnt Olivia de Havilland neu als Freischaffende – und erobert sofort den lang ersehnten „Oscar“ als ledige Mutter in „Mutterherz“. Drei Jahre später setzt sie als „Die Erbin“, die sich an einem Liebe vorgaukelnden Glücksjäger rächt, noch einen Gewinn drauf – und verliert dann, nach erklommenem Gipfel, zunehmend die Lust an der Schauspielerei.

Von 1946 bis 1953 ist Olivia de Havilland mit dem Schauspieler Marcus Goodrich verheiratet, danach wird der Journalist Pierre Galante ihr zweiter Ehemann, von dem sie sich 1979 scheiden lässt, aber bis zu seinem Tod verbunden bleibt. Olivia de Havilland hat zwei Kinder – Sohn Benjamin, der 1991 stirbt, und Tochter Gisele.

2003 hat Olivia de Havilland bei der fünfundsiebzigsten „Oscar“-Verleihung ihren letzten öffentlichen Auftritt – 2006 wird sie von der „Academy Of Motion Picture Arts And Sciences“ mit einer großen Gala geehrt. Sie ist derzeit die älteste noch lebende „Oscar“-Gewinnerin.

Seit den fünfziger Jahren lebt Olivia de Havilland in Paris. Zur Zeit schreibt sie ihre Memoiren.