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Alexandra

Sie singt mit „Mein Freund der Baum“ den ersten Öko-Song der Popgeschichte und ist eine der wenigen Chanson-Interpretinnen, die Deutschland hervorbringt – Alexandras kurze Karriere gilt als einzigartig in der deutschen Musikbranche, mit ihrer unverwechselbaren Stimme zieht sie bis heute unzählige Menschen in ihren Bann

Alexandra wird als Doris Treitz am 19. Mai 1942 als Tochter von Wally Margarete und August Treitz im memelländischen Heydekrug – das heute zu Litauen gehört – geboren. Kaum drei Wochen alt, flieht die Familie 1944 vor der Roten Armee nach Schleswig-Holstein. Doris Treitz besucht die Volksschule und danach ein Mädchengymnasium in Kiel – ihre Kindheit ist überschattet von den Sorgen der Nachkriegsjahre. Früh beginnt sie Gitarre zu spielen, erhält Klavierunterricht und beginnt, eigene Lieder und Gedichte zu schreiben. 1962 belegt sie bei der Miss-Germany-Wahl den neunten Platz.

Alexandra entschließt sich mit siebzehn Jahren als Modedesignerin zu arbeiten und bricht kurz vor dem Abitur die Schule ab, um an der Muthesius-Werkkunstschule Grafik zu studieren – nebenher arbeitet sie als Sekretärin, Stenotypistin und Zimmermädchen. „Ich musste mir oft überlegen, ob ich eine Tasse Kaffee trinken oder lieber mit dem Bus nach Hause fahren wollte, denn für beides reichte das Geld nicht…“ so die Sängerin in einem Interview.

1961 zieht Alexandra mit ihrer geschiedenen Mutter und ihrer Schwester Melitta nach Hamburg, besucht dort die Meisterschule für Mode, lernt den dreißig Jahre älteren russischen Emigranten Nikolai Nefedov kennen und heiratet noch im selben Jahr – kurze Zeit später kommt der gemeinsame Sohn Alexander zur Welt.

Nach dem Abschluss an einer Schauspielschule und intensivem Gesangunterricht erhält Alexandra einige Theater-Engagements in Rendsburg und Neumünster und arbeitet als Grafikerin in einem Hamburger Zeitschriften-Verlag, bis der Schallplattenproduzent Fred Weyrich bei seiner Suche nach Talenten auf die tiefe und rauchige Stimme der Sängerin aufmerksam wird. Unter dem Management von Hans R. Beierlein wird Alexandra zum Star aufgebaut – mit ihren melancholischen Liedern und ihrem Aussehen passt die Künstlerin ganz in ein Format, das bisher noch nicht von der deutschen Schlagerbranche vermarktet wird – Russland. Mit dem „Orchester Hazy Osterwald“ folgen ersten Tourneen durch die Bundesrepublik und in die Sowjetunion.

Alexandra feiert ihren Durchbruch mit dem Lied „Zigeunerjunge“, welches später in diversen Sprachen gecovert wird. Ihre erste Langspielplatte „Premiere mit Alexandra“ wird von den Kritikern frenetisch gefeiert und entwickelt sich zu einem phänomenalen Erfolg. Doch die auf Alexandras Image maßgeschneiderten Lieder gefallen der Sängerin immer weniger, sie sucht Kontakt zu ihren französischen Kollegen Salvatore Adamo, Gilbert Bécaud und Yves Montand und es entsteht eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit Udo Jürgens, der für sie einige Lieder textet und komponiert („Illusionen“).

Alexandras Karriere läuft wie im Bilderbuch ab – sie tritt in Fernseh-Shows mit Gilbert Bécaud und Vico Torriani auf, geht auf Deutschland-Tournee mit Salvatore Adamo und von Musikjournalisten wird Alexandra zur „Sängerin des Jahres“ gewählt – auch ist sie nach dem Krieg die erste deutsche Sängerin in einer französischen Fernsehshow.

Am 31. Juli 1969 kommt Alexandra im Alter von siebenundzwanzig Jahren auf der Fahrt in den Urlaub bei einem Autounfall auf einer Kreuzung nahe des schleswig-holsteinischen Heide ums Leben. Ihre Mutter stirbt wenig später im Krankenhaus – der auf der Rückbank schlafende sechsjährige Sohn Alexander wird nur leicht verletzt. Die Sängerin wird auf dem Westfriedhof in München beigesetzt.

Als sexuell aufgeschlossene und moderne Frau, die ihren Sohn alleine erzieht, ist Alexandra ihrer Zeit weit voraus. Sie spricht offen über die Pille und über Abtreibung, hat Liaisons mit Kollegen, nutzt ihre Attraktivität für ihre Karriere und fordert im von Männern beherrschten Showbusiness mehr künstlerische Selbstbestimmung – in den sechziger Jahren passt vielen Menschen diese Frauenbild nicht.

Auch knapp fünfzig Jahre nach dem Tod von Alexandra, über den es zahllose Verschwörungstheorien gibt, ist das Leben der Ausnahmesängerin ein Mysterium.