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Erich von Stroheim

Er gilt in Hollywood als führender Regisseur der Stummfilmzeit, als Charakterdarsteller wird er wegen seiner Physiognomie und seines grimmigen Auftretens mit Vorliebe als brutaler Schurke und teutonischer Militär besetzt. Erich von Stroheim ist bekannt für seinen exzentrischen Regiestil, mit seiner Rollenauswahl schürt er antideutsche Ressentiments – in den USA wird für seine Filme mit dem Slogan „Der Mann, den man gerne hasst“ geworben

Erich von Stroheim wird als Erich Oswald Stroheim am 22. September 1885 in Wien geboren, wo er mit seinem jüngeren Bruder Bruno in einer jüdischen Familie aufwächst. Sein Vater hat eine Hutfabrik, wo er als Jugendlicher auch arbeitet. Das „von“ setzt er später seinem Namen voran – er streut das Gerücht, sein voller Name sei Graf Erich Oswald Hans Carl Maria Stroheim von Nordenwall, er stamme aus einer preußischen Adelsfamilie und habe eine Karriere als Kavallerie-Offizier hinter sich. Aristokratie und Militär üben schon früh eine große Faszination auf ihn aus – dies und seine äußere Erscheinung bescheren ihm während seiner gesamten Schauspielkarriere immer wieder Rollen als Militär in den verschiedensten Schattierungen.

Tatsächlich dient Erich von Stroheim lediglich ab 1905 freiwillig für kurze Zeit beim österreichischen Militär, bevor er 1910 nach Amerika auswandert – ein Onkel gibt ihm das Reisegeld. In New York nimmt er diverse Jobs an – 1914 kommt er als Stuntman zum Film und wird wenig später Schauspieler, Regieassistent und militärischer Berater bei David W. Griffith‘ Firma „Triangle“, der ihm kleinere Auftritte in seinen Filmen „The Birth Of A Nation“ („Die Geburt einer Nation“, 1915) und „Intolerance“ („Intoleranz“, 1916) gibt. Wegen seiner Kenntnisse ist Erich von Stroheim als militärischer Berater gefragt – zum Beispiel in „Alt Heidelberg“ (1916) von John Emerson.

1919 gibt Erich von Strohheim mit dem Melodram „Blind Husbands“ („Blinde Ehemänner“) sein Regiedebüt, danach folgen „The Devil’s Passkey“ (1920), „Foolish Wives“ („Törichte Frauen“, 1922), „Merry-Go-Round“ („Rummelplatz des Lebens“, 1923), „Greed“ („Gier“, 1924), „The Merry Widow“ („Die lustige Witwe“, 1925), „The Wedding March“ („Hochzeitsmarsch“, 1928) und der nicht vollendete Film „Queen Kelly“ (1928).

Auch als Schauspieler ist Erich von Stroheim gefragt – in Rollen brutaler Militärs und skrupelloser K.u.K.-Offiziere schürt er in den USA während des Ersten Weltkrieges anti-deutsch-österreichische Ressentiments. Erich von Stroheim – der auch gerne außerhalb der Filmsets seine Uniformen trägt – erregt 1918 in einer Szene des Films „The Heart Of Humanity“ in der Rolle eines deutschen Offiziers für Aufsehen, in welcher er eine Krankenschwester vergewaltigen will und ein ihn dabei störendes Baby aus dem Fenster wirft. Auch in „The Unbeliever“ ist er als skrupelloser deutscher Offizier zu sehen, der ein Kind und dessen Großmutter erschießen lässt. Solche Auftritte werden ihm noch Jahrzehnte später in Deutschland übel genommen. Als 1921 die Aufführung von Erich von Stroheims drittem Film „Foolish Wives“ („Törichte Frauen“) angekündigt wird, erscheinen in der deutschen Presse Pamphlete und Boykottaufrufe gegen ihn und seine Filme: „Der ehemals österreichische Offizier Erich Oswald von Stroheim ist 1909 nach einem peinlichen Zwischenfall aus der Armee ausgewiesen worden, nach Amerika gegangen und hat während des Krieges in vielen antideutschen und antiösterreichischen Hetzfilmen die preussischen Offiziere in der widerlichsten Weise als Barbaren, Kindesmörder und Schufte dargestellt. Dieser österreichische Adelsangehörige trägt durch die Verkörperung seiner Offizierspartien die Hauptschuld an der deutschfeindlichen Verhetzung des Kinopublikums in Amerika und in der gesamten Außenwelt. Dieser Vaterlandsverräter, der, um Geld zu verdienen, sich skrupellos völlig in den Dienst seines Feindes stellte, hat sich teilweise durch diese Rollen von einem armen Fliegenpapierverkäufer zu einem der größten Filmregisseure Amerikas heraufgeschlichen.“

Während der zwanziger Jahre gehört Erich von Stroheim zu den führenden Filmregisseuren in Hollywood – seine kostenintensive Detailversessenheit und seine Missachtung damaliger Zensurbestimmungen haben zur Folge, dass die meisten seiner Regiearbeiten gekürzt werden, unvollendet bleiben oder dass er während der Dreharbeiten entlassen wird. Heute existiert keiner seiner Filme mehr in der ursprünglichen Fassung. Über den exzentrischen Regiestil Erich von Stroheims gibt es zahlreiche Anekdoten – so bekommt er bei einer Aufnahme einen Wutanfall, weil eine Türklingel nicht funktioniert (in einem Stummfilm, wohlgemerkt). Ein anderes Mal lässt er eine aufwändige Massenszene wiederholen, weil ein Kellner im Hintergrund keine weißen Handschuhe trät. Für seine Orgienszenen lässt er angeblich Prostituierte als Statistinnen engagieren, für eine andere Szene verlangt er echten Kaviar. Komparsen, die als Soldaten auftreten, lässt er tagelang exerzieren, auch lässt er auf einem Studiogelände den Wiener Prater detailgetreu nachbauen. Hinsichtlich seines kostspieligen Regiestils ist Erich von Stroheim zu keinen Zugeständnissen bereit und nach diversen Verlusten der Filmfirmen ist sein Ruf als Regisseur ruiniert. So ist er gezwungen, wieder vor der Kamera zu agieren – auch nimmt er Tätigkeiten als technischer Berater und Hilfsdramaturg an.

Gegen Ende der zwanziger Jahre zieht sich Erich von Stroheim auf eine Karriere als Schauspieler zurück – er spielt in „The Great Gabbo“ („Der Große Gabbo“, 1929), in „Three Faces East“ (1930), in „Friends And Lovers“ (1931), in „The Lost Squadron“ („Die letzten Vier“, 1932), in „As You Desire Me“ („Wie du mich wünschst“, 1935) neben Greta Garbo, in „Crimson Romance“ (1934), in „The Crime Of Dr. Crespi“ (1935), in „La grande illusion“) („Die große Illusion“, 1936) mit Jean Gabin, in „Macao, l’enfer du jeu“ („Die Spielhölle von Macao“, 1939), in „Rappel immédiat“ (1939), in „Le monde tremblera“ („Revolte des Lebens“, 1939) und in „Tempête“ („Sturm“, 1940). Wegen der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen geht Erich von Stroheim vorübergehend wieder in die USA, wo er in Filmen wie „So Ends Our Night“ (1941), „Five Graves To Cairo“ („Fünf Gräber bis Kairo“, 1943), „Scotland Yard Investigator“ (1945) und „The Mask Of Diijon“ (1945) brilliert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrt Erich von Stroheim nach Europa zurück und lebt ab 1946 wieder in Frankreich. In jenen Jahren kann man ihn unter anderem in „On ne meurt pas comme ça“ (1946), „Le signal rouge“ („Rote Signale“, 1948), „Danse de mort“ (1948) und „Portrait d’un assassin“ (1949) sehen. 1950 übernimmt er in Billy Wilders Meisterwerk „Sunset Boulevard“ („Boulevard der Dämmerung“) an der Seite von Gloria Swanson und William Holden eine letzte Hollywoodrolle – für die Darstellung des Chaffeurs und Kammerdieners erhält er eine „Oscar“-Nominierung als „Bester Nebendarsteller“. 1952 kann Erich von Stroheim neben Hildegard Knef und Karlheinz Böhm in der Literaturverfilmung „Alraune“ noch einmal mit einer Hauptrolle glänzen, einen seiner letzten Auftritte vor der Filmkamera hat er in „Napoleon“ (1955) als Ludwig van Beethoven.

Erich von Stroheim ist dreimal verheiratet – von 1913 bis zu deren Tod mit Margaret Knox, von 1916 bis 1919 mit der Schneiderin Mae Jones – aus der Ehe geht Sohn Erich von Stroheim Jr. hervor – und von 1920 bis zu seinem Tod mit der Schauspielerin Valerie Germonprez.

Kurz vor seinem Tod wird Erich von Stroheim von der französischen Regierung mit dem „Kreuz der Ehrenlegion“ ausgezeichnet.

Erich von Stroheim stirbt im Alter von einundsiebzig Jahren an den Folgen eines Krebsleidens am 12. Mai 1957 auf Schloss Maurepas bei Paris, wo er sich mit seiner Lebenspartnerin – der französischen Journalistin und Schauspielerin Denise Vernac – zurückgezogen hat und auch bestattet wird.