Als erfolgreichste deutsche Chansonsängerin der sechziger Jahre sorgt sie mit frivolen Chansons für Aufsehen – zeitweise stehen ihre Platten auf dem Index und werden nur unter dem Ladentisch verkauft. Helen Vita gilt als erste Album-Künstlerin der deutschen Popgeschichte, als Dame der Halbwelt kann man sie in zahlreichen Filmproduktionen sehen und mit frechen Sprüchen und koketten Gesten begeistert sie bis ins Alter ihre zahlreichen Fans
Helen Vita wird als Helene Vita Elisabeth Reichel am 7. August 1928 in Hohenschwangau im Allgäu geboren. Sie ist die Tochter des Konzertmeisters Anton Reichel und der Solo-Cellistin Jelena Pacic – die Eltern gehören in den dreißiger Jahren zum Ensemble des Münchner Gärtnerplatz-Theaters. Wegen despektierlicher Aussagen gegen die Nationalsozialisten wird die Familie aus Deutschland ausgewiesen und lässt sich 1939 in Genf – der Schweizer Heimat des Vaters – nieder, wo Helen Vita das Conservatoire de Genève besucht.
1945 gibt Helen Vita ihr Bühnendebüt in Thornton Wilders „Die kleine Stadt“ und Anouihls „Ball der Diebe“ am Genfer Theater. Danach sammelt sie in Paris weitere Erfahrungen am Théâtre du Vieux Colombier – unter anderem in der „Glasmenagerie“ – und spielt in ihrem ersten Film („Torrents“, 1946). Zurück in Zürich erhält sie ein Engagement am Zürcher Schauspielhaus, wo sie unter anderem in der Uraufführung von Bertolt Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“, neben Hans Albers in „Liliom“ und mit Gustav Knuth in „Peer Gynt“ mitwirkt.
Danach wendet sich Helen Vita dem Kabarett zu, tritt 1949 ins Zürcher Cabaret Fédéral ein und geht 1952 nach München, um an der Kleinen Freiheit – für die Erich Kästner die Texte schreibt – mit Chansons von Friedrich Hollaender das Publikum zu begeistern. Zeitgleich wird sie für den Film entdeckt – in der Schweizer Produktion „Palace Hotel“ (1952) hat sie neben Lys Assia ihre erste Rolle in einem deutschsprachigen Film.
In den fünfziger und sechziger Jahren gehört Helen Vita zur Stammbesetzung des deutschen Unterhaltungsfilms, wo sie meist als „scharfe Nutte mit viel Ausschnitt“ besetzt wird – ein hartnäckiges Klischee, das der talentierten Charakterdarstellerin nicht gerecht wird und ihr jahrelang anhaftet. Insgesamt spielt Helen Vita in achtundfünfzig Kino- und Fernsehfilmen mit – vorwiegend Heimatfilme, Schlagerschnulzen und Sexklamotten. Als Lore Schulz – der Dame mit dem offenherzigem Dekolletee – agiert sie von 1954 bis 1955 in der erfolgreichen „08“-Triliogie an der Seite von Joachim Fuchsberger und Mario Adorf. 1956 spielt sie in „Bonjour Kathrin“ neben Caterina Valente und Peter Alexander, in der „Immenhof“-Trilogie (1957) kann man sie neben Heidi Brühl und in „Das Mädchen Rosemarie“ (1958) neben Nadja Tiller sehen. In der populären Fernsehserie „Am grünen Strand der Spree“ (1960) wirkt sie mit und neben Heinz Erhardt in „Was ist denn bloß mit Willi los?“ (1970). In der erfolgreichen Musicalverfilmung „Cabaret“ (1972) spielt sie an der Seite von Liza Minnelli, Marisa Berenson und Helmut Griem. 1981 kann man Helen Vita in Rainer Werner Fassbinders „Lili Marleen“ neben Hanna Schygulla, Barbara Valentin und Elisabeth Volkmann sehen, auch in den anderen Werken des Regisseurs „Satansbraten“ (1976), „Chinesisches Roulette“ (1976) und „Berlin Alexanderplatz“ (1979) wirkt sie mit.
Nebenher ist Helen Vita immer dem Theater treu geblieben, sie spielt in Klassikern von Shakespeare, Molière und Goethe und überzeugt in modernen Stücken von Thornton Wilder, T. S. Eliot oder Hans Henny Jahnn. Auch für ihre Solo-Abende – die Namen haben wie „Von wejen Liebe“, „Helen Vita total“ und „Die Seuse singt“ – ist Helen Vita bekannt. Sie singt Songs von Kurt Weill, Friedrich Holländer, Bertolt Brecht und trägt Texte von Erich Kästner und Kurt Tucholsky vor. 1985 erhält Helen Vita den „Deutschen Kleinkunstpreis“.
Mit einer Aufsehen erregenden Schallplattenserie wird Helen Vita Mitte der sechziger Jahre als „Fromme Helene“ zur bundesdeutschen Skandalfigur, ihre „frechen Chansons aus dem alten Frankreich“ gelten als anstößig und rufen Staatsanwälte und Sittenwächter auf den Plan. Als jugendgefährdend dürfen die Platten im Auftrag des Bundeskriminalamtes nur noch unterm Ladentisch verkauft werden – was sie aber um so erfolgreicher macht. Die Kritiker sind hoch erfreut und Helen Vita erhält zweimal den „Deutschen Schallplattenpreis“ – sie gilt in jenen Jahren neben Hildegard Knef als erfolgreichste deutsche Chansonsängerin.
In den achtziger und neunziger Jahren ist Helen Vita nur noch vereinzelt in Fernsehrollen zu sehen, wie 1992 in der Serie „Lilli Lottofee“, 1993 in „Salto Postale“ und letztmalig 2000 in „Ein lasterhaftes Pärchen“. Ihre letzte Filmrolle hat Helen Vita 1997 im Streifen „Drei Mädels von der Tankstelle“. Große Erfolge feiert Helen Vita Ende der neunziger Jahre gemeinsam mit Evelyn Künneke und Brigitte Mira als eine der „Drei alten Schachteln“. Auch steht sie mit ihrem Programm „Die Alte singt ja immer noch“ und zusammen mit der Berliner Diseuse Gisela May in „Wenn die beste Freundin…“ auf der Bühne.
Helen Vita, die mit dem Schweizer Komponisten Walter Baumgartner die Söhne Dominik und Patrick hat, stirbt am 16. Februar 2001 im Alter von zweiundsiebzig Jahren in einem Berliner Krankenhaus an den Folgen eines Krebsleidens. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Zollikerberg bei Zürich.