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Gustaf Gründgens

Gustaf Gründgens ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Kulturgeschichte des vorigen Jahrhunderts und über drei Jahrzehnte lang die wohl faszinierendste Gestalt des deutschen Theaters – auf der Bühne genial als „Mephisto“ und als Intendant und Regisseur wegweisend, politisch jedoch wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus schwer belastet und als Mitläufer verschrien

Gustaf Heinrich Arnold Gründgens kommt am 22. Dezember 1899 als Sohn einer alteingesessenen rheinischen Industriellenfamilie in Düsseldorf-Oberkassel zur Welt – seine Eltern sind Arnold Hubert und Emmy Gründgens, seine Schwester ist die einst bekannte Chanson-Sängerin und Kabarettistin Marita Gründgens.

Gustaf Gründgens besucht ein Gymnasium in Düsseldorf und legt am katholischen Megina-Gymnasium in Mayen sein Abitur ab – 1916 meldet er sich als Kriegsfreiwilliger an die Westfront. Erste Bühnenerfahrungen macht er ab 1917 an der „Fronttheatergruppe Saarlouis“, deren Leiter er 1918 wird und das nach dem Ende des Krieges in Bergtheater Thale umbenannt wird. 1919 nimmt er an der Hochschule für Bühnenkunst des Düsseldorfer Schauspielhauses Schauspielunterricht , danach erhält er kleinere Rollen an der Düsseldorfer Freilichtbühne sowie kürzere Engagements an den Städtischen Bühnen Halberstadt, am Vereinigten Städtischen Theater Kiel, am Berliner Theater in der Kommandantenstraße und an den Hamburger Kammerspielen.

In dieser Zeit erweitert Gustaf Gründgens sein Repertoire an klassischen und zeitgenössischen Stücken, sein Repertoire umfaßt klassische Rollen (Hamlet, Danton), Operetten (Offenbach), Konversationsstücke und zeitgenössische Dramen (Wilde, Shaw, Wedekind, Sternheim, Kaiser) – er spielt mit Vorliebe zwielichtige Charaktere und legt sich auf Rollen als elegante, distinguierte und kalte Herren, Verführer, Lebemänner, Intriganten oder Erpresser fest.

1924 tritt Gustaf Gründgens zum ersten Mal als Regisseur auf – unter anderem mit der Inszenierung des Stückes „Anja und Esther“ von Klaus Mann. Klaus Mann und dessen Schwester Erika spielen zusammen mit ihm und Pamela Wedekind die Hauptrollen. Gustav Gründgens und Erika Mann heirateten 1926, die Ehe wird 1929 geschieden.

1928 geht Gustaf Gründgens zu Max Reinhardt ans Deutsche Theater in Berlin, wo er auch selbst Regie führt. 1929 inszeniert er seine erste Oper an der Kroll-Oper Berlin – Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“, auch tritt er vielfach in Kabaretts auf – unter anderem neben Grethe Weiser

1930 wird der Film auf Gustaf Gründgens aufmerksam – in „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) sieht man ihn an der Seite von Peter Lorre. 1930 feiert er als Regisseur mit Vicki Baums „Menschen im Hotel“ große Erfolge, 1932 folgt am Preußischen Staatstheater in Berlin sein erster Auftritt als “ Mephistopheles“ in Goethes „Faust I“.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bleibt Gustaf Gründgens im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen im Land und steigt rasch die Karriereleiter nach oben – 1934 wird er zum Intendant des Staatlichen Schauspielhauses und zum Staatsschauspieler ernannt, 1937 wird er Generalintendant aller Preußischen Staatstheater.

Seine Beziehungen zu jungen Männer sind immer wieder Thema in der Berliner Reichskanzlei, 1934 bittet Gustaf Gründgens mit Verweis auf seine Homosexualität seinen obersten Dienstherrn Hermann Göring um die Entlassung als Leiter des Schauspielhauses – dieser nimmt das Rücktrittsgesuch aber nicht an. 1936 heiratet Gustaf Gründgens die Schauspielerin Marianne Hoppe – er schützt damit die bisexuelle Schauspielerin und sich selbst vor Nachstellungen der Nazis. 1946 wird die Ehe geschieden.

Sporadisch führt Gustaf Gründgens auch Filmregie – unter anderem für „Tanz auf dem Vulkan“ (1938) mit Sybille Schmitz, Gisela Uhlen und Theo Lingen, „Zwei Welten“ (1939) und „Friedemann Bach“ (1941). Auch wirkt er in Propagandafilmen wie „Ohm Krüger“ (1941) an der Seite von Emil Jannings, Gisela Uhlen und Elisabeth Flickenschildt mit.

1942 ist Gustaf Gründgens Mitglied der Truppenbetreuung in Norwegen und 1943 nimmt er als Gefreiter am Dienst in der Ersatzabteilung teil. 1944 wird er nach Berlin zurückgerufen und von Joseph Goebbels auf die sogenannte „Gottbegnadetenliste“ gesetzt.

Nach Kriegsende verbringt Gustaf Gründgens mehrere Monate in einem sowjetischen Internierungslager, im Entnazifizierungsverfahren wird er von einigen ehemaligen Kollegen entlastet. Im Gegenzug entlastet er unter anderem die Schauspielerin Emmy Göring (die Witwe Hermann Görings) und Veit Harlan – den Regisseur des berüchtigten antisemitischen Propagandafilmes „Jud Süß“.

Gustaf Gründgens urteilt über seine Verflechtung mit dem Nationalsozialismus folgendermaßen: „Um der Sache willen, der ich zehn Jahre diente, habe ich mehr schlucken müssen, als man wohl darf, ohne Schaden an seiner Seele zu nehmen. Ich weiß, dass ich immer wieder so handeln müsste: Es ist wohl meine Natur, die immer nur das Nächstliegende ganz begreift und dafür begabt ist; und so war die Tatsache, wie sehr ich damals nötig war überzeugender, als alle Erwägungen, wie es mir heute ergehen würde. Jetzt ist eine Leere in mir“.

1946 steht Gustaf Gründgens bereits wieder am Deutschen Theater in Berlin in Carl Sternheims „Der Snob“ auf der Bühne. Von 1947 bis 1955 leitet er als Generalintendant die Städtischen Bühnen Düsseldorf – die Schallplattenfassung seiner Düsseldorfer Inszenierung des „Faust“, die 1954 auf drei Sprechplatten erscheint, gilt vielen als Geburtsstunde des heutigen Hörbuches.

Von 1948 bis 1950 ist Gustaf Gründgens Präsident des Deutschen Bühnenvereins – in jenen Jahren avanciert er zum Leitbild des neuentstehenden deutschen Kulturbetriebs. Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg macht ihn von 1955 bis 1963 zum Generalintendanten und künstlerischen Leiter. 1960 adaptiert Gustaf Gründgens seine Hamburger Faust-Inszenierung – mit der er auch in Moskau und New York gastiert – an der Seite von Will Quadflieg mit großem Erfolg für den Film. 1963 steht Gustaf Gründgens zum letzten Mal als König Philip II. in Friedrich Schillers „Don Carlos“ auf der Bühne.

Gustaf Gründgens stirbt am 7. Oktober 1963 während einer Weltreise in Manila an den Folgen einer Magenblutung – er wird auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf beigesetzt.

Die Karriere von Gustaf Gründgens wird in Klaus Manns Roman „Mephisto“ – 1936 in dessen Amsterdamer Exil erschienen – näher beschrieben. Nach Einspruch eines Adoptivsohnes des Schauspielers wird das Buch jedoch in Deutschland bis 1981 verboten, in der ehemaligen DDR wird der Roman bereits 1956 veröffentlicht. 1981 kommt die Verfilmung von István Szabó mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle in die Kinos.

2011 wird in Hamburg der „Gustaf-Gründgens-Preis“ ins Leben gerufen – mit ihm werden Persönlichkeiten geehrt, die mit ihrem Lebenswerk die darstellende Kunst in Hamburg und darüber hinaus prägen.